Weltgen hat den HCE verlassen, blieb aber ein Erlanger

28.4.2017, 18:20 Uhr
Weltgen hat den HCE verlassen, blieb aber ein Erlanger

© Foto: Harald Sippel

Die Lockerheit steckt an. Das Gefühl, alles schaffen zu können, förmlich durchs Leben zu schweben, wie im Rausch. Jeder, der schon einmal einen Abschluss gemacht hat, kennt dieses Gefühl. "Es ist das beste Gefühl, was ich seit Jahren hatte", sagt Moritz Weltgen. Vor drei Wochen hat er seine Doktorarbeit abgegeben. Der 30-Jährige ist jetzt frei – vom Stress, von Verpflichtungen und von BWL-Fachliteratur.

Die größte Umstellung in seinem Leben aber hatte er bereits zuvor hinter sich gebracht. Als nach der Saison 2014/15 das erste Bundesliga-Abenteuer des HC Erlangen endete, bedeutete das auch für Moritz Weltgen das Ende. Seither, sagt der ehemalige Kapitän, "hatte ich keinen Handball mehr in der Hand".

15 Jahre jeden Tag Training, jedes Wochenende Spiel, jede Stunde Handball im Kopf. Und dann plötzlich nicht mehr. "Es war eine Entwicklung. Anfangs war es komisch", erinnert sich Weltgen. "Du betreibst einen riesigen Aufwand. Im Nachhinein weiß ich nicht, ob ich das jetzt noch einmal machen würde." In der Jugend des THW Kiel galt er als großes Talent. In Erlangen hat er aufgehört, komplett, mit 28 Jahren.

"Ich hatte noch einen Vertrag für ein Jahr", sagt Weltgen. Es gab Gespräche mit dem Verein. "Einerseits war ich nicht ganz zufrieden, andererseits hatte ich noch die Uni." Martin Stranovsky hatte den Spielmacher verdrängt. Nach dem Trainerwechsel "lief es so weiter", sagt Weltgen. "Auch mit Robert (Andersson, d. Red.) hatte ich immer ein gutes Verhältnis. Das ist heute noch so, wenn wir uns im Fitnessstudio sehen." Kein Stammspieler zu sein, "war eine neue Situation. Davor war ich überall die unangefochtene Nummer eins".

Pro Uni, Contra Handball

Weltgen war unzufrieden. "Dann finde ich es besser, wenn man proaktiv versucht, etwas zu verändern." Ein Vereinswechsel wäre möglich gewesen. "Doch ich habe mich gefragt: Was ist daran eigentlich neu?" Innerhalb von einer Woche war die Entscheidung gefallen, auch mit Hilfe einer Pro-und-Contra-Liste. Pro Uni. Contra Handball. Moritz Weltgen ist nicht der Typ, der lange unentschlossen zögert. "Und ich habe mich nie nur über den Handball definiert."

An der Universität in Ingolstadt beschäftigte er sich mit der Frage, wie große Konzerne Innovationen erfolgreich umsetzen können. Wohnen blieb er trotzdem in Erlangen, "einfach weil mir die Stadt gefällt". Seine Freundin, für ihn in den Süden gezogen, promoviert auch hier. "Ich fühle mich in Erlangen super wohl."

Beim Joggen sieht man ihn manchmal zwischen Spardorf, Marloffstein und Atzelsberg. Fünfmal pro Woche treibt er Sport. Die Erlanger Fans kennen Weltgen noch. "Aber auf der Straße werde ich nur angesprochen, wenn Niko (Link, d. Red.) dabei ist." Mit den Link-Brüdern und Ole Rahmel ist er gut befreundet. "Sie versuchen, mich zu ihren Spielen einzuladen." Doch Moritz Weltgen hat seit seinem Karriereende kein Handballspiel mehr live gesehen. "Nicht aus schlechten Gefühlen. Der Fokus hat sich verschoben."

"Krass, es gibt noch eine andere Welt als Handball"

Wenn die ehemaligen Teamkollegen zusammen sind, "erzählen wir uns alte Geschichten. Aber nicht von einem Spiel", sondern eher was drum herum passiert ist. "Ich sitze auch nicht daheim auf dem Sofa und denke: Oh, damals, das war ein schönes Tor." In Erinnerung bleibt die Mannschaft. "Der Team-Zusammenhalt in Erlangen war richtig gut."

Noch etwas lässt die Augen des Erlangers strahlen: "Ein besonderes Spiel war für mich das beim THW Kiel." Bei seinem Jugend-Verein. "Dorthin zu fahren und es selbst geschafft zu haben." Nur Profi zu sein, aber war Weltgen zu wenig. "Vielleicht hätte es bei mir besser geklappt, wenn ich mich zu 110 Prozent auf den Sport konzentriert hätte."

Stattdessen war er in den vergangenen zwei Jahren als Gaststudent in Indien und Peking, hat die freien Wochenende genossen und an der Universität gelehrt. "Ich habe gemerkt: Krass, es gibt noch eine andere Welt als Handball und Sport." Eine Welt, die augenblicklich unheimlich glücklich macht.

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