Zwei Erlanger rudern für Deutschland

4.8.2017, 07:00 Uhr
Julian Schneider (li.) und Jonathan Schreiber im Deutschland-Trikot.

Julian Schneider (li.) und Jonathan Schreiber im Deutschland-Trikot.

Wenn man ihn da so stehen sieht, am Bootshaus des Erlanger Rudervereins, dann verrät einem eigentlich nur das WM-Shirt, dass man es gleich mit einem Weltklasseathleten zu tun haben wird. Wenn er einem dann die Hand schüttelt, kernig aber zurückhaltend, dann wirkt er wie der Sohn im Kreis seiner Familie, der sich noch von den Nachbarn verabschiedet, bevor er zum Schüleraustausch aufbricht.

Dabei ist Julian Schneider gerade erst heimgekommen, aus der großen, weiten Welt des Leichtgewichtruderns. Zusammen mit seinem Partner Jonathan Schreiber ruderte er auf der U23-WM in Bulgarien. Dort erreichte er in einem starken Teilnehmerfeld sogar das Finale, und zählt somit zu den sechs stärksten Nachwuchsruderern im Doppelzweier.

Vielleicht sind sie deshalb so stolz auf ihn, ihren Julian, haben sogar einen kleinen Empfang organisiert, weil ihr Junge nunmehr nicht nur national, sondern auch international auf sich aufmerksam macht. Möglicherweise ist es aber auch einfach nur das familiäre Miteinander. Das pflegt man hier zwischen Büchenbach und Alterlangen, wo jedes Jahr neue Medaillenkandidaten ihre Boote in den Kanal legen und trotzdem alle mit anpacken, wenn es darum geht, das Dach des Vereinsheims wieder wetterfest zu machen.

Ein familiäres Umfeld, das Julian Schneider bereits beim Kinderrudern schätzen lernte, mit 13 Jahren, als es noch nicht so sehr um den perfekten Takt und die schnellste Zeit ging, wo alles "ein bisschen spielerischer angelegt war", wie er sich erinnert. Heute ist das anders: Studium und Training finden für den jungen Erlanger mittlerweile in Mainz statt, eine Kaderschmiede im Rudern, mit zahlreichen Deutschen Meistern und Olympioniken in der Trainingsgruppe. Und dennoch bekommt man den Eindruck, dass er das Bootshaus in Erlangen nicht gänzlich hinter sich gelassen hat. Auch seinem Coach ist Schneider noch verbunden, Ingo Euler. Er hatte ihm nach fünf Jahren gemeinsamen Trainings zum Wechsel nach Mainz geraten, damit auch nochmal jemand anderes etwas machen könne mit seinem Schützling.

So wie auch bei seinem Partner. Jonathan Schreiber hat es von Regensburg nach Erlangen verschlagen. Zwar hat er erst später mit dem Rudern begonnen, dank der erfahrenen Trainingsgruppe in Regensburg aber schon früh Erfolge auf nationaler Ebene feiern können. Sehr ruhig und ausgeglichen ist auch "Joni", wie sie ihn hier alle nennen. Man merkt den beiden Jungs an, dass sie gerade regenerieren, nach der kräftezehrenden Vorbereitung und dem absoluten Jahreshighlight, dem Finallauf bei der Weltmeisterschaft.

Nur beiläufig blitzt gelegentlich das starke Selbstbewusstsein auf, das auf tausende Trainingskilometer und bereits zwei WM-Teilnahmen fußt. Unzufrieden ist Schreiber, hätte gerne mehr herausgeholt als den sechsten Rang. Dass die Konkurrenz bereits in den Vorläufen Weltbestzeiten ruderte, ist dabei keine Ausrede. Insgesamt sei man "beim Rudern sehr mit sich selbst und seiner eigenen Technik beschäftigt", die Spannung steige eigentlich erst am Vorabend der Entscheidungsläufe.

Aktiv zu regenerieren, so wie es die beiden nun auf der Terrasse der Vereinsgaststätte mit Blick über den Kanal gerade vorleben, ist wichtig für die Athleten, die im Normalfall täglich mehrere Stunden trainieren, und nebenbei einen Hochschulabschluss anstreben. Für Kellnern in der Kneipe bleibt da neben der Uni keine Zeit, da sei man schon auf Hilfe von Außen angewiesen.

Hilfe durch die Deutsche Sportförderung zum Beispiel, durch die Eltern oder eben den Trainer, der das Boot auf den Hänger lädt und fünf Stunden zur Regatta kutschiert, ohne ein Wort mit einem zu wechseln, damit die Konzentration nicht gestört wird (siehe Interview in der Mitte). Aktiv zu regenerieren und sein Leben um Ausbildung und Sport zu strukturieren, das sind zwei der Kernkompetenzen, die Trainer Ingo Euler seinen beiden WM-Startern vermittelt hat.

Und so genießen sie ihn, diesen Moment, in dem sie kurz einmal nicht den Anspruch an sich selbst haben, noch ein Quäntchen besser zu sein, noch eine Runde mehr im Kraftzirkel zu drehen, noch akribischer an der Abstimmung des Bootes zu feilen. Für einen kurzen Moment, als sich die Empfangsgäste langsam zurückgezogen haben, da stehen die beiden am Bootssteg, blicken auf das Wasser, schweigen und lächeln gemeinsam.

Mit dem Auftakt zur neuen Saison wird alles wieder auf Null gedreht. Beim Rudern werden die Besatzungen nach der Rangliste der Deutschen Meisterschaft zusammengesetzt. Jedes Jahr müssen sich die Sportler einzeln beweisen, um dann im Team wieder um internationale Medaillen fahren zu dürfen. Schon bald wird es für Julian Schneider also Zeit, nach Mainz zurückzufahren. Und Coach Euler hänselt Jonathan Schreiber bereits, er könne ruhig sein Boot so langsam wieder aufbauen. Spätestens dann ist es auch für ihn mit der Ruhe vorbei. Der Name seines Bootes: Adrenalin.

Keine Kommentare