Zwischen Atmosphäre und Kitsch

10.12.2012, 18:00 Uhr
Zwischen Atmosphäre und Kitsch

© Bernd Böhner

Die Winterausstellung des Kunstvereins Erlangen (KVE) verfolgt in erster Linie das Ziel, Breite und Vielfalt des Schaffens seiner Mitglieder zu dokumentieren. Da der KVE Künstler/innen aus der ganzen Region in seinen Reihen vereint, bildet die Ausstellung immer einen weitläufigen Ausschnitt der aktuellen fränkischen Kunstszene ab.

Keine untragbaren Schwankungen

Die Auswahl, die von der Jury aus den eingereichten Arbeiten getroffen wurde, lässt keine untragbaren Schwankungen im Niveau erkennen, wenn man von den Installationen absieht. Dabei gehört Anette Voigts Rauminstallation „Gewölbe“ zu den eindrucksvollsten Exponaten der Ausstellung. Aus unterschiedlichen schwarzen Holzlatten gestaltet sie einen vieldeutigen, atmosphärisch ungemein dichten Raum, der weder Abbild noch Abstraktion ist, aber eine ursprüngliche emotionale Ausstrahlung entwickelt.

Auf ihre Weise legt diese Installation den Grundton der Ausstellung fest. Die Franken sind ein Volk von Realisten, und das auf durchaus handfeste Weise. Sie glauben an die sicht- und greifbare Welt, nicht an Abbilder, aber an ihre individuelle Erscheinung, an spezifische Atmosphäre, die in den Bildern zur Wirklichkeit werden.

Feinsinnige Illusion

Eigentlich glauben sie auch nicht an das von Kandinsky formulierte „Geistige in der Kunst“, nicht an die feinsinnige Illusion, Kunst sei das, was man nicht sieht. Diese Illusion beherrscht beispielsweise die Installation von Jens Hindelang, die restlos überdeterminiert ist und den Betrachter aufdringlich auf einen zentral gelagerten Totenschädel verweist: metaphysischer Kitsch.

Gleichwohl spielt die Abstraktion weiterhin eine große Rolle, allerdings kaum noch als Abstraktion von der Wirklichkeit, wie sie im fränkischen Raum seit den 50er Jahren populär wurde. Vorwiegend handelt es sich um grundsätzlich nicht gegenständliche Bildgestaltungen von durchaus experimentellem Charakter, die nur selten an Traditionen der abstrakten Kunst, wie Konstruktivismus oder Konkrete Kunst, anschließen.

Rein abstraktes Medium

Das Experiment spielt sich vorwiegend im technischen Bereich ab, vor allem in der Grafik, die sich auf Grafik-Programme und Reproduktionstechniken des Computers stützt, nicht zuletzt auf die Fotografie, die durch die Möglichkeiten der digitalen Bildbearbeitung zu einem rein abstrakten Medium geworden ist. Zu mehr als zur Demonstration technischer Prozeduren hat das nur selten geführt. Vermutlich muss man die Fähigkeiten der grafischen Programme immer noch eher illusionslos betrachten. Im Vergleich zu den Handzeichnungen Walter Försters oder Walter Fricks befinden sie sich noch im Lehrlingsstadium. Nachdem die Fotografie ihren Anspruch auf korrekte Abbildung von Welt abgelegt hat, ist auch die gegenständliche Malerei aus der zwanghaften Konkurrenz mit der Fotografie befreit. Landschaft und Figur gewinnen zusehends an Statur, abseits der tradierten fränkischen Idyllen mit individuellen Bildlösungen: Landschaft als Drama bei Thomas Richter und Barbara Gröne-Trux, als Farbrausch bei Peggy Kleinert, als witziges Pamphlet bei Gerhard Vollmuth uns als Märchentraum bei Lotte Funke.

Werke parallel präsentiert

Parallel zur Winterausstellung veranstaltet die „Gruppe plus“ des Kunstvereins eine eigene Ausstellung in der KVE-Galerie. „Andersartig“, wie der Titel ihrer Wiederholung im Januar im Mühlentheater formuliert, ist sie allerdings kaum. Von gravierenden Differenzen kann man beim besten Willen nicht reden, höchstens von Qualitätsunterschieden in einzelnen Fällen. Viele der 17 Aussteller waren irgendwann schon in der großen Ausstellung vertreten, einige sind jetzt auch in beiden Ausstellungen dabei. Und der Hauptunterschied besteht darin, dass sich die „Gruppe plus“ ohne Jury präsentiert, ein Aspekt, der den unvoreingenommenen Besucher zurecht nicht interessiert. Zumal sich jedes Mal herausstellt, dass schon aus Platzgründen doch eine Auswahl getroffen werden muss. Das macht dann die Hängekommission.

Es ist ein altes Problem des Kunstvereins, das sich wohl nur dadurch lösen lässt, dass die „Gruppe plus“ auf direkte Konkurrenzen gegenüber der „Mutter“ verzichtet. Schließlich pocht sie immer auf ihre jurylose Eigenständigkeit.

Winterausstellung des Kunstvereins im Kunstpalais. Palais Stutterheim, Marktplatz 1. Bis 31. Dezember, Di. bis So, 10 bis 18 Uhr. Mi. 10 bis 20 Uhr. Bildergalerie im Internet unter www.erlanger-nachrichten.de

Gruppe plus: „XMess, What a Mess!“ Neue Galerie des Kunstvereins, Hauptstraße 72. Bis 22. Dezember, Di., Mi., Fr. 15 bis 18 Uhr, Do. 15 bis 19 Uhr, Sa. 11 bis 14 Uhr.

 

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