Zwischen Lust und Vernunft

6.2.2010, 00:00 Uhr

Auch die Theatergruppe der AMV Fridericiana hat sich an den derzeit häufig gespielten monolithischen Brocken gewagt und zeigt ihn derzeit in einer Bearbeitung von Tonja Preuß (auch Regie) im Verbindungshaus (Glückstraße 3). Zu sehen ist eine auf 70 Minuten äußerst geschickt und darob sehr effektiv zurechtgestutzte Inszenierung, die vor allem in der Personen-Gestaltung besticht: Durch Mehrfachbesetzungen, deren Akteure noch dazu gleichzeitig agieren, wird eine hochgradig psychologische Deutung des Geschehens visualisiert, die diversen Seiten einer Figur werden konkret umgesetzt.

Differenziertes Seelenleben

Gott Dionysos ist hier also aufgeteilt in Männlein und Weiblein, was - augenscheinlich kenntlich gemacht durch entsprechendes Outfit - das Lust-Prinzip mit dem der Vernunft zusammenführt. Thebens Herrscher Pentheus ist gar in vier Schauspieler aufgesplittet, die so durch ihr Spiel tiefste Einblicke in Pentheus differenziertes Seelenleben mit dessen miteinander ringenden inneren Dämonen geben. In der knappen Verdichtung dieser äußerlich minimalistischen Inszenierung kommt man schnell auf den Punkt, und obwohl es natürlich stets problematisch ist, wenn Amateure im Versmaß sprechen, gelingt ein (zu)packender Parforceritt durchs antike Stück, in dem sich durch kleinere Kostümwechsel ganze Sichtweisen ändern. Ein gut aufspielendes Ensemble (die Auftritte des Chors sind bemerkenswert) und die kompromisslos-kühle Inszenierung schaffen eine beeindruckende Atmosphäre (nochmals am 7. und 9. Februar). MANFRED KOCH