Wegen Peggy: Herrmann will NSU-Morde neu aufrollen

14.10.2016, 16:45 Uhr
Wegen Peggy: Herrmann will NSU-Morde neu aufrollen

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Die Entdeckung von DNA-Spuren des mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt am Fundort der getöteten Schülerin Peggy konfrontiert die Ermittler mit einer Fülle neuer Fragen. "Es gibt eine Vielzahl von Aufgaben", sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Herbert Potzel am Freitag in Bayreuth. "Wir müssen erstmal sortieren, in welcher Reihenfolge wir das abarbeiten." Viele der offenen Fragen betreffen den "Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU).

Am Donnerstag war bekanntgeworden, dass am Fundort der Skelettteile des 2001 verschollenen Mädchens aus Oberfranken Genmaterial von Böhnhardt entdeckt worden war. Dieses habe sich an einem Gegenstand befunden. Ob es aber einen direkten Zusammenhang zu dem damals neunjährigen Mädchen gibt, blieb am Freitag zunächst weiter unklar.

Klar ist für die Ermittler, dass der Fundort der Skelettteile nicht der Tatort war. Wie lange Peggy nach dem Verschwinden noch gelebt hat, war aber unklar. Die Knochen seien Peggy im Alter von neun Jahren zuzuordnen, stellte Potzel klar. Offen blieb auch, wie lange die Skelettteile in dem Waldstück gelegen hatten.

Der Rechtsextremist Böhnhardt gehörte dem "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU). Mit Uwe Mundlos und Beate Zschäpe soll er jahrelang unerkannt gemordet haben – hauptsächlich Menschen mit ausländischen Wurzeln. Mundlos und Böhnhardt töteten sich den Ermittlern zufolge im November 2011 nach einem Banküberfall, um einer drohenden Festnahme zu entgehen. Zschäpe stellte sich der Polizei. Seit Mai 2013 muss sie sich vor dem Münchner Oberlandesgericht verantworten.

Am Rande eines Termines versicherte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), es gebe einen klaren Auftrag für die Ermittler, Bezüge zwischen dem Fall Peggy und den NSU-Morden herzustellen. Das Thema "Kindesmissbrauch" habe man in Zusammenhang mit Böhnhardt und seinem Komplizen Uwe Mundlos nicht im Blick gehabt, räumte Herrmann ein. Nun müsse den Gerüchten nachgegangen werden. Und man müsse sich auch die Frage stellen, zu wem Peggys Mutter tatsächlich Kontakt gehabt habe, betonte Herrmann.

Vorrang habe aber der Auftrag, zu klären, ob das genetische Material, das man nun Uwe Böhnhardt zuschreibe, kontaminiert sei. Medien hatten berichtet, die Obduktion der Leiche Böhnhardts sei im gleichen rechtsmedizinischen Institut erfolgt wie fünf Jahre später die Untersuchung der sterblichen Überreste von Peggy. Dabei könnte es zu einer Spurenübertragung gekommen sein.

Doch Experten zweifeln diese Version an. Der Würzburger Mediziner Daniel Zaumsegel, Bereichsleiter der forensischen Molekularbiologie an der dortigen Julius-Maximilians-Universität, verweist darauf, dass vor jeder Untersuchung "reiner Tisch" gemacht werde: man setze großflächig DNA-Vernichter ein, um genau solche Übertragungen auszuschließen. Ganz verhindern könne man Kontaminationen freilich nicht, deshalb würden DNA-Treffer in eine Datenbank eingegeben und dann noch einmal gegengeprüft.

Inzwischen nahm dazu auch das Bundeskriminalamt Stellung: Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sei eine DNA-Spur von Uwe Böhnhardt festgestellt worden, sagte der Präsident des BKA, Holger Münch. Diese hätten Rechtsmediziner des Landeskriminalamts in München untersucht, wie Innenminister Herrmann bestätigte. Peggys Leichenteile dagegen habe das rechtsmedizinische Institut in Jena unter die Lupe genommen.

Der frühere Innenminister und bayerische Ministerpräsident Günter Beckstein aus Nürnberg, der nach dem Verschwinden der neunjährigen Schülerin die Soko "Peggy" eingesetzt hatte, die bald darauf einen geistig Behinderten als Mörder des Kindes ausmachte, sagte, es sei den Menschen nun nicht länger zuzumuten, mit der Ungewissheit, wer hinter dem Verbrechen stecke, zu leben. dank einer Kriminaltechnik "auf höchstem Niveau" könne man den Fall nun endgültig lösen.

Peggys Mutter tief erschüttert

Peggys Mutter ist über die neue Entwicklung im Fall ihrer toten Tochter bestürzt. "Dass nunmehr eine DNA-Spur auf Uwe Böhnhardt und damit eventuell auf die NSU-Szene verweist, hat meine Mandantin tief erschüttert und viele neue Fragen aufgeworfen", teilte ihre Anwältin Ramona Hoyer am Freitag mit. "Meine Mandantin benötigt Zeit, diese neuen Entwicklungen zu verarbeiten." Seit dem Verschwinden Peggys 2001 und dem Auffinden der Skelettteile im Juli dieses Jahres hoffe ihre Mandantin, dass die Umstände des Todes ihrer damals neunjährigen Tochter vollständig geklärt werden können.

Dieser Artikel wurde um 16.45 Uhr aktualisiert.

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