"Es tut weh, es ist heiß": Ebola-Schulung in Würzburg

31.10.2014, 06:00 Uhr

© Foto: Holzschuh

Sabine macht fast alles richtig. Die Frau – Schutzbrille, gelber Overall und nur durch den Namen auf ihrer Haube zu identifizieren – geht einen Schritt zurück, als sich die Patientin auf der Liege aufrichtet und plötzlich nach ihr greift. Sie bleibt ruhig, als sich ein Schwall auf ihre Schürze ergießt und fasst nicht in die rot-braune Flüssigkeit, die an ihrem Kittel hinunterläuft.

Doch dann der Fehler, und das in der Red Zone, dem Bereich, in dem jedes Malheur das Leben gefährden kann. „Sabine, bleib stehen!“ Norbert Gresser Stimme ist energisch, die vermummte Gestalt friert in der Bewegung ein, blickt auf. „Du darfst, wenn du kontaminiert wurdest, nicht weiterlaufen, sonst verunreinigst du das ganze Areal!“ Und dann kann sich Ebola, dieses hochansteckende Virus, leicht weiterverbreiten.

Zum Glück nicht hier. Sabine befindet sich nicht in einem Krankenhaus in Liberia, sondern in der Staatlichen Feuerwehrschule in Würzburg, die Patientin ist gesund und der Schwall, der sich auf Sabines Schürze ergoss, nur ordinärer Ketchup.

Eher Aliens als Mediziner

14 Menschen aus ganz Deutschland werden beim Seminar des Missionsärztlichen Instituts auf ihren Dienst im Ebola-Gebiet vorbereitet: Ärzte, die bereits im Einsatz waren, erzählen aus dem Alltag der Isolierstationen in Liberia oder Sierra Leone. Sie berichten, wie man zu Patienten ein Vertrauensverhältnis aufbaut, obwohl jeder Körperkontakt vermieden werden muss und die Behandler in ihren Anzügen eher wie Aliens denn Mediziner aussehen. Und sie erklären immer wieder, wie sich Helfer schützen können.

Ebola ist hochinfektiös, vier Viren reichen aus, um einen Menschen anzustecken – allein in einem Wassertropfen können sich eine Milliarde Viren verbergen. Sieben von zehn Patienten sterben auf den Isolierstationen. Die Krankheit wird durch sogenannte „Schmierinfektion“ verbreitet, durch Körperflüssigkeiten – Spucke, Tränen oder Blut. Eigentlich sind sogar Grippeviren, die auch durch die Luft fliegen, leichter übertragbar. Mit peniblen Hygiene-Maßnahmen ließe sich ein Ebola-Ausbruch daher kontrollieren, sagt Norbert Gresser, Seuchenspezialist beim Missionsärztlichen Institut.

Doch die wollen gelernt sein. Und geübt. Es fängt an mit dem richtigen Anlegen des Schutzanzugs: Man muss in die Stiefel schlüpfen, das erste Paar Handschuhe anziehen, dann in einen gelben Overall steigen, den Reißverschluss schließen und abkleben. Maske aufsetzen, Kappe darüber ziehen. Eine Schürze umlegen, alles mit Bändern hinter dem Körper verknoten. Schutzbrille aufsetzen. Ein zweites Paar Handschuhe überziehen. Lücken zwischen Brille und Kopf mit Tape abkleben. Kontrollieren, dass wirklich kein Fleckchen Haut frei liegt. Profis brauchen dafür eine Viertelstunde, die Würzburger Lehrgangsteilnehmer fast doppelt so lange.

Denn auch wenn sie nun zum zweiten Mal die Schutzkleidung anziehen, sitzt längst nicht jeder Handgriff. Hier schließt eine Brille nicht dicht, da ist eine Schürze verrutscht. Gresser und seine Mitarbeiter kontrollieren jeden Anzug. „Eigenschutz ist das Wichtigste“, sagt Gresser. „Der geht vor Patientenschutz.“ Primäres Ziel sei nicht, die Patienten zu heilen, sondern die weitere Ausbreitung der Seuche einzudämmen.

Das müssen auch gestandene Ärzte erst einmal verinnerlichen, so wie Clemens Roll, 47 Jahre, Infektiologe aus Stuttgart und Lehrgangsteilnehmer. „Wenn jemand erbricht, eilen wir normalerweise hin und wollen helfen. Im Ebola-Einsatz dürfen wir das nicht.“ Da heißt es zurücktreten, warten bis der Anfall vorbei ist und dann alles – Kleidung, Schuhe, Boden – dekontaminieren. Alleine ist dabei niemand, jeder Schritt in einem Ebola-Krankenhaus wird in einem Team durchgeführt, es gilt das Vier-Augen-Prinzip.

Das soll die Sicherheit der Behandler gewährleisten – muss ein Arzt das Krankenbett verlassen, kommt sein Partner mit. Auch weil der Anzug die Wahrnehmung stark einschränkt: Die Brille zeigt nur einen Ausschnitt des Geschehens, Maske und Haube dämpfen Geräusche.

Familie hat Angst

Doch Angst hat Clemens Roll nicht „Das Risiko ist vorhanden, aber mit dem richtigen Verhalten zu kontrollieren.“ Seine Familie sieht das naturgemäß nicht ganz so nüchtern. Roll hat Kinder, sieben und neun Jahre alt, „die haben schon ein Recht auf ihren Vater.“ Warum er sich dennoch freiwillig für den Einsatz, der wahrscheinlich noch im Dezember losgeht, gemeldet hat? „Weil ich die Ausbildung habe und glaube, mit meinen Kompetenzen helfen zu können.“

Nach einer dreiviertel Stunde Praxisübungen schält sich Roll aus seinem Plastik-Anzug, müde und völlig verschwitzt – obwohl es in der Würzburger Feuerwehrschule gerade einmal knapp 20 Grad hat und nicht 35 wie in Liberia. „Es tut weh, es ist heiß, es reicht jetzt“, sagt Roll. „Ich bin platt.“ Dennoch darf die Konzentration nicht nachlassen – bloß nicht ins Gesicht greifen oder eine kontaminierte Stelle berühren. Nach jedem Kleidungsstück, dessen Roll sich entledigt, müssen erneut die Hände desinfiziert werden.

Trotz dieser Strapazen will sich der Arzt von seinem Vorhaben nicht abbringen lassen. Aber eines fährt mit nach Afrika: das Wissen, dass jeder Fehler tödlich enden kann.

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