Essen auf dem Abstellgleis

25.9.2010, 10:10 Uhr
Essen auf dem Abstellgleis

Von weitem sieht der Waggon aus, als hätte die Bahn ihn nur auf ein Abstellgleis verfrachtet, um ihn bei Gelegenheit erneut einzusetzen. Er hat sogar ein eigenes Gleisbett mit Schienen – wenn diese auch nicht bis zum Bahnhof reichen. Spätestens beim Betreten des Rast-Waggons wird klar: Die Zeiten der Zugfahrten sind vorbei. Tische und Stühle haben die Bahnsitze ersetzt. Die Schiebefenster sind Doppelglasscheiben mit Gardinen gewichen. Statt Nothammer und -bremse hängen an den Wänden Schilder mit Reisefahrplänen.

Essen auf dem Abstellgleis

© Christiane Fritz

Ihre Jacken können die Gäste an dem ehemaligen Kleiderständer einer Frankfurter Bahnhofsgaststätte verstauen. An einer Wand, knapp unter der Decke, ist ein Gleis für eine kleine Bahn verlegt. Reschka muss nur auf einen Knopf in der Küche drücken und schon setzen sich Lok und Anhänger in Bewegung. Besonders die kleinen Gäste sind nach der Miniaturausgabe verrückt, erzählt der gelernte Koch.

„Der Waggon ist als Rastmöglichkeit und Unterstand gedacht“, sagt der 39-Jährige, der den Waggon zusammen mit Janine Graupner, seiner Lebensgefährtin, pachtet. Reschka hat früher in Küchen gearbeitet, die mehrere Hundert Quadratmeter groß waren. An die kleine im Rast-Waggon musste er sich erst gewöhnen.

Die Gäste können innen sitzen oder außen in einem kleinen Biergarten. Im Rast-Waggon haben bis zu 35 Personen Platz. Vor allem am Sonntag und an Feiertagen ist viel Betrieb. „Da sollte man sogar reservieren“, empfiehlt Graupner. Montag und Freitag ist Ruhetag.

Bei schönem Wetter legen am Rast-Waggon viele Sportler eine Pause ein: Kanufahrer, die auf der Pegnitz paddeln oder Wanderer und Radfahrer, die am Fluss von Neuhaus nach Artelshofen oder Vorra unterwegs sind. Bei Kajakgruppen kann es auch vorkommen, dass „30 Personen auf einmal einfallen“, sagt Reschka. Ganz unvorbereitet trifft es die beiden nicht: Wann die Wassersportler Land betreten, können sie durch die Fenster des Waggons beobachten. Sie eröffnen den Blick auf den Fluss.

Im Rast-Waggon gibt es Kaffee, Kuchen und verschiedene Snacks: Grillhaxen, Krautwickel oder Saure Lunge. Der Renner sind kleine Mahlzeiten wie der Rast-Waggon-Teller mit Schüttelbrot, Bergkäse und rohem Schinken. Der Wanderer möchte sich eben nicht zu sehr den Bauch vollschlagen. Erlaubt ist, eigenes Essen mitzubringen.

Manchmal pausieren auch Arbeiter am Rast-Waggon, wie Günther Bub. Er kannte den Waggon zwar, ist jedoch zum ersten Mal hier. „Der Waggon ist mitten in der Prärie. Das ist romantisch.“ Auch drei ältere Herren haben es sich unter den Schirmen des Gartens gemütlich gemacht. Sie sind von Nürnberg nach Neuhaus mit dem Zug gefahren und von dort nach Rupprechtstegen gewandert. Bevor es mit dem Zug nach Nürnberg zurückgeht, gönnen sie sich etwas zu essen. Der Rast-Waggon ist eine schöne Idee, findet Karl-Heinz Stürmer. „Vor allem weil es in Rupprechtstegen keine Wirtschaft mehr gibt.“

Bevor der Waggon zur Rastmöglichkeit umfunktioniert wurde, war er ein vierachsiger Schnellzugwagen von 1930. Früher gehörte er der Deutschen Reichsbahn Gesellschaft. Bis in die 70er Jahre war er im Einsatz, danach machten sich Rost und Graffiti-Sprüher über ihn her. Später kaufte ihn die Gemeinde Hartenstein. Der Zug wurde aufbereitet und mit einem Tieflader nach Rupprechtstegen gebracht. Wer sich für die Geschichte des Waggons interessiert, kann ein paar Schritte zum nahegelegenen Häuschen machen. Dort hängt eine Chronologie.

Auch im Winter hat der Rast-Waggon geöffnet. Für Wärme sorgt eine Fußbodenheizung. Reschka und Graupner halten sich dann mit Veranstaltungen über Wasser. „Unsere liebsten Temperaturen sind um die 25 Grad Celsius“, sagt Reschka. Dann sind die meisten Sportler unterwegs.