Experte hält Stromautobahnen für nötig

13.2.2014, 10:00 Uhr
Experte hält Stromautobahnen für nötig

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Früher, so ist es ja immer, war alles einfacher: Kraftwerke lagen nah an den Ballungsräumen, dort, wo viel Energie verbraucht wurde, und lieferten pünktlich und rund um die Uhr Strom. Doch dann kam die Energiewende und alles wurde anders und auch ein wenig komplizierter.

Energie wird immer öfter dort erzeugt, wo sie am besten anzuzapfen ist – im Norden Deutschlands produziert der Wind viel Strom, im Süden werden primär Photovoltaikanlagen eingesetzt. Beides funktioniert natürlich nur, wenn das Wetter passt – und das tut es nicht immer. Zudem lässt es sich nicht immer genau vorhersagen und natürlich auch nicht nach Bedarf bestellen.

Also muss – je nach Wetterlage – Energie zeitweise von einer Gegend Deutschlands in die andere transportiert werden. Und wird nicht genug aus regenerativen Quellen produziert, müssen kurzfristig Reservekraftwerke zugeschaltet werden. Der Stromfluss in den Netzen hat sich so radikal verändert.

Die Leitungen sind darauf nicht ausgelegt. „Wir müssen unsere Netz in Deutschland aus- und umbauen“, sagt Matthias Luther, Professor für Elektrische Energiesysteme an der Universität Erlangen. „Sie sind mittlerweile am Anschlag.“ Und steigt die Quote der regenerativen Erzeugung weiter – so wie die Politik es will – kann das System irgendwann kollabieren. Das hat auch die Regierung erkannt: Im sogenannten Bundesbedarfsplangesetz wurde unter anderem der Bau der Gleichstrompassage Süd-Ost festgeschrieben, einer 450 Kilometer langen Leitung, die von Bad Lauchstädt in Sachsen-Anhalt ins bayerische Meitingen führen soll – mitten durch die Metropolregion Nürnberg.

Große Verluste beim Transport

In der Regel wird diese Leitung Strom von Nord nach Süd schicken – Windkraftanlagen produzieren eher Überschuss als Photovoltaikanlagen. Damit der Transport so verlustarm wie möglich funktioniert, soll dafür die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) eingesetzt werden. In Deutschland wird diese Technik bisher nur bei Seekabeln nach Skandinavien und bei der Anbindung von Offshore-Windkraftanlagen, die vor der Küste Energie produzieren, angewandt.

In Ländern, in denen traditionell große Entfernungen überbrückt werden müssen – Indien, Kanada, USA oder China – sind Gleichstromleitungen heute schon gang und gäbe. Und sie sind bei den jetzigen Herausforderungen auch in Deutschland sinnvoll, glaubt Prof.Luther.

Denn die Energieversorgung rein dezentral zu sichern – der Traum vieler, die gegen die Stromautobahn plädieren –, funktioniert so einfach nicht. Das hat mehrere Gründe: Zum einen besitzt regenerativ erzeugter Strom bei der Einspeisung ins Netz laut Gesetz Vorrang. Gibt es etwa im Norden einen Überschuss, muss der Strom trotzdem verbraucht und daher irgendwohin — in der Regel nach Süddeutschland — transportiert werden.

Zum anderen sind regenerative Energien wie Windkraft und Photovoltaik unzuverlässig und stark vom Wetter abhängig. „Daher braucht wir immer mehr Reserven für die Zeiten, in denen die regenerativen Energien nicht genug Strom liefern“, sagt der Erlanger Professor. Zudem gibt es durch den Kernenergieausstieg und die Stilllegungen von nicht mehr rentablen Kraftwerken immer weniger gesicherte Leistung, insbesondere in Bayern. Entwickle sich die Technik weiter, könnte aber möglicherweise ein Teil der heute geplanten Trassen nicht mehr gebraucht werden. So setzt der Erlanger Professor auf Innovationen bei Energiespeichern.

Dann sei folgendes Szenario denkbar: Im Norden weht eine steife Brise, die Windparks produzieren mehr Energie als in der Region verbraucht werden kann. Der Überschuss wird mittels Elektrolyse in Wasserstoff und in Methan umgewandelt. Dies kann man dann ins Gasnetz einspeisen oder wieder in Strom umwandeln.

Noch ist das Zukunftsmusik — und viel zu teuer. Doch auch wenn diese Gedankenspiele irgendwann Realität werden, „brauchen wir neue Leitungskapazitäten, aber vielleicht nicht in der Menge“, sagt Luther.

Gleichzeitig wäre die Forschung und Entwicklung von Energiespeichern ein wichtiger Schritt in Richtung einer zunehmenden dezentralen Versorgung: Was die Photovoltaikanlage in der Zeit produziert, wenn niemand zu Hause ist, kann etwa in Batterien gespeichert und erst bei Bedarf verbraucht werden.

Die Entwickler des Netzentwicklungsplans haben solche Innovationen noch nicht in ihr Konzept eingeplant – wie sollten sie auch. Denn wann es einen Durchbruch beim Speichern von Energie gibt, weiß niemand.

Die Übertragungsnetzbetreiber haben sich bei ihren Konzepten vielmehr an die Vorgaben und politischen Rahmenbedingungen gehalten, sagt Luther. Die Pläne würden übrigens immer wieder überprüft. „Aktuell geht es um die Trassenplanung, die Leitung ist ja noch nicht gebaut.“ Änderten sich Voraussetzungen, könnte das also noch in die Netzausbauplanung einfließen.

Lesen Sie hierzu auch den Kommentar für die Stromtrasse: Energiewende ja, Trassen nein? Geht nicht! sowie den Kommentar gegen die Stromtrassen: Gegen den Strom. Stimmen Sie zudem in unserem Online-Voting ab:

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