Experte kritisiert Umgang mit Wölfen in Bayern

29.6.2017, 06:00 Uhr
Ist Bayern beim Thema Wölfe schon am Ende der Willkommenskultur angelangt?

© dpa Ist Bayern beim Thema Wölfe schon am Ende der Willkommenskultur angelangt?

Im Bayerischen Wald und auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr ist jeweils ein Wolfspaar heimisch geworden. An diesen Orten wird fest mit Nachwuchs gerechnet. Während sich viele Menschen über die Wiederansiedlung des Raubtiers freuen, fordern vor allem Jäger und Bauern, den Wolf in seinem Schutzstatus herabzustufen. Und Nutztierhalter wollen sich nicht damit abfinden, dass Wölfe nachts Schafe, Ziegen oder Kälber reißen.

Der Wildbiologe und Wolfsexperte Ulrich Wotschikowsky (77) aus Oberammergau plädiert für einen unaufgeregten Umgang mit dem Raubtier.

Von Ihnen stammt das Zitat: "Wem ein Wolf begegnet, der sollte auf die Knie fallen - und sich darüber freuen, dass ihm so ein Erlebnis widerfährt“. Wahrscheinlicher ist aber, dass viele Menschen dabei ein sehr mulmiges Gefühl beschleicht.

Wotschikowsky: Viele Menschen empfinden es als einen Glücksfall sondergleichen, einem wilden Wolf zu begegnen. Wolfstourismus boomt. Die Region um den Nationalpark Yellowstone profitiert davon mit etwa 30 Millionen Dollar pro Jahr. Hierzulande ist die Rückkehr der Wölfe auch für unsere Ökosysteme ein Gewinn, besonders im Wald. Wölfe sorgen für eine bessere Auslese als wir Jäger das können, und sie fördern eine bessere räumliche Verteilung des Wildes.

Problemwolf "Kurt" steht jetzt ausgestopft im Landesmuseum Hannover. Soll man verhaltensauffällige Wölfe erschießen?

Wotschikowsky: Zunächst sind sie überhaupt als problematisch festzustellen. Ein Wolf, der durch ein Dorf läuft, ist noch nicht verhaltensauffällig. Wölfe, die gezielt auf Menschen zukommen und offenbar einen Leckerbissen erwarten, sind kritisch zu sehen. Sie müssen vergrämt werden, das heißt, es muss ihnen beigebracht werden, dass die Nähe zu Menschen unangenehme Folgen haben kann. Erst wenn das nicht hilft, ist ein Todesurteil gerechtfertigt. Solche Wölfe sind allerdings so selten wie ein weißer Hirsch.

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Dennoch wird der Ruf nach einer Obergrenze immer lauter, auch in Bayern. Sind wir bei den Wölfen schon am Ende der Willkommenskultur angelangt?

Wotschikowsky: Ich habe in Bayern noch nie eine "Willkommenskultur" für Wölfe wahrgenommen.

Ihrer Einschätzung zufolge ist die Wahrscheinlichkeit größer, im Wald von einem herabfallenden Ast verletzt zu werden als von einem Wolf. Gab es denn schon ernste Zwischenfälle mit Wölfen?

Wotschikowsky: Seit den 1970er Jahren hat es in Europa (außer Russland, Weißrussland und Ukraine – von diesen Ländern haben wir leider keine Daten) keinen ernsthaften Zwischenfall mit Wölfen gegeben. In Nordamerika sind seit dem Jahr 2005 zwei Menschen durch Wölfe getötet worden.

In Wolfsgebieten sind oft Fake-News im Umlauf — es trumpt, wie Sie sagen. Was sind die absonderlichsten Falschmeldungen?

Wotschikowsky: Fake1: Wölfe würden ausgesetzt. Fake 2: Unsere Wölfe seien allesamt Wolf-Hund-Bastarde. Fake 3: Wölfe hätten bei uns bereits Jagdhunde getötet. Alles Märchen.

Es heißt es auch immer wieder: Wölfe nehmen den Jägern ihre Beute weg. Stimmt das?

Wotschikowsky: "Ihre Beute" – Jäger müssen verstehen, dass sie keinen Anspruch auf eine bestimmte Zahl von Beutetieren haben. Denn Wildtiere gehören niemandem. Ohnehin sind die Sorgen der Jäger unbegründet. Nicht zu leugnen ist, dass Deutschland weltweit (!) den höchsten Jagdertrag pro Flächeneinheit bringt. Fakt ist zweitens , dass sich der Wald größtenteils nicht natürlich verjüngen kann, weil wir ihm zu viel Schalenwild (Rehe und Rotwild) zumuten. Und Fakt ist drittens, dass die Landwirte landauf, landab über zu hohe Wildschweinbestände klagen. Wenn Wölfe den Jägern nun unter die Arme greifen, um das übermäßige Schalenwild zu reduzieren, sollten wir darüber froh sein.

Was empfehlen Sie Schäfern zum Schutz ihrer Herde?

Wotschikowsky: Ortsfeste Schäfer sollten ihre Tiere hinter mindestens meterhohen elektrifizierten Zäunen halten. Bei großen Herden lohnt sich darüber hinaus die Anschaffung von Herdenschutzhunden. Wanderschäfer sollten ihre Tiere nachts in einen Pferch bringen, mit Elektrozaun plus Herdenschutzhund. Ich weiß, das kostet einiges an Geld. Aber der Freistaat unterstützt solche Schutzvorkehrungen auch finanziell.

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