Falscher Kurs: Claudia Stamm macht Schluss mit den Grünen

22.3.2017, 15:01 Uhr
Falscher Kurs: Claudia Stamm macht Schluss mit den Grünen

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Verbiegen will sich Claudia Stamm (46) auf keinen Fall. Weder für ihre politische Karriere, noch für ihre (bisherige) Partei - die Grünen. "Claudia in der Politik kann ich mir vorstellen. Habe aber die Hoffnung, dass du so bleiben willst (und kannst!), wie du bist", zitiert Stamm auf ihrer Homepage ihren eigenen Cousin.

Nach ihrem Parteiaustritt im zehnten Jahr ihrer Parteizugehörigkeit an diesem Mittwoch kann Stamm ihrem Cousin in diesem Punkt weiter in die Augen schauen. Denn am Ende - so lautet das Fazit von Weggefährten im Landtag - habe die kantige Persönlichkeit nicht mehr in das immer engere und hierarchische Korsett von Partei und Fraktion gepasst.

Wer Claudia Stamm kennt, sieht in ihrem Parteiaustritt im Grunde eine logische Konsequenz. Die 1970 in Würzburg geborene Tochter der amtierenden Landtagspräsidentin und mächtigen CSU-Politikerin Barbara Stamm ist wie ihre Mutter ein streitbarer Kopf, der sich nicht gerne anpasst. Nicht nur in den Landtagssitzungen hat sie das seit ihrem Einzug ins Maximilianeum 2009 immer wieder unter Beweis gestellt.

Respekt bei politischen Gegnern

Damit hat sich die Netzwerkerin Stamm, die als Quereinsteigerin 2007 zu den Grünen kam, auch bei politischen Gegnern durchaus Respekt erarbeitet, in der CSU etwa mit ihren alljährlich vorgestellten alternativen Haushaltsplänen: "Inhaltlich sehen wir da zwar vieles anders, aber es war zumindest alles seriös finanziert."

Neben den Finanzen gehörte auch das große Thema Gleichstellung zu Stamms wichtigsten Aktionsfeldern: Frauen, Homosexuelle, Flüchtlinge, Ausländer, Behinderte - die zweifache Mutter diskutiert gerne und ausdauernd über fehlende Inklusion und andere Benachteiligungen, über die andere Politiker(innen) im Eifer des Gefechtes hinwegsehen. Auch das hat Stamm nicht nur Freunde in Fraktion und Partei eingebracht.

Während sie im politischen Alltag gut mit Kritik und Streit umgehen konnte, musste sie etwa auf der innerfraktionellen Karriereleiter Rückschläge hinnehmen. So blieb es ihr - anders als jüngst der erst 31-jährigen Katharina Schulze - verwehrt, den Fraktionsvorsitz zu übernehmen.

Unstimmigkeit in Asylpolitik

Nicht wenige in der Partei vermuten hinter der Wahl Schulzes einen Grund für Stamms Entscheidung. "Das hat nichts damit zu tun, es passt einfach inhaltlich nicht mehr", sagt Stamm und verweist als Beispiel auf Unstimmigkeiten in der Asylpolitik. Wie passe es zusammen, dass in Bayern die Grünen gegen Sammelabschiebungen nach Afghanistan protestieren, aber die von den Grünen mitgetragene Landesregierung in Baden-Württemberg Menschen in den Flieger setze?

Zur Wahrheit gehört dazu, dass es auch Grüne gibt, die dem verlorenen Fraktionssitz mehr nachtrauern als Claudia Stamm als Person. Mit ihrem Dauerstreit mit der früheren Fraktionschefin Margarete Bause habe Stamm viel Kredit in der Fraktion verspielt, heißt es.

Doch das ist nun alles Vergangenheit. "Ich will keine Spaltung der Grünen", sagt Stamm, die unbedingt weiter Politik machen will, erst als partei- und fraktionslose Abgeordnete im Landtag und bald mit ihrer eigenen Partei: "Es ist an der Zeit: Bayern fehlt eine Kraft, die klar und deutlich für ihre Positionen, ihre Werte einsteht."

Kein Alleingang

Den Schritt geht Stamm aber nicht ganz alleine, mit im Boot sitzen der Münchner Soziologe Stephan Lessenich, der ehemalige Vorsitzende der Münchner Grünen, Nikolaus Hoenning, die niederbayerische Juristin Sabine Richly und der Finanzdienstleister Werner Gaßner. Gaßner und Lessenich haben übrigens wie Stamm am Mittwoch die Grünen verlassen.

"Der Schritt fällt mir nicht leicht, und es ist kein Schritt, der leicht sein wird. Ich weiß aber, es muss sein", beschreibt Stamm ihre Gemütslage nach dem Parteiaustritt. Es könnte dennoch das Ende ihrer Zeit als Berufspolitikerin sein, denn ein Einzug der noch nicht gegründeten Partei in den Landtag bei der Wahl 2018 dürfte auch von Optimisten nicht einkalkuliert werden.

Damit würde Stamm auch ein großes finanzielles Opfer bringen: Um die stattliche Altersvorsorge der Abgeordneten zu erhalten, fehlt ihr ein halbes Jahr bis zur notwendigen zehnjährigen Zugehörigkeit zum Landtag. Stamm: "Ich will zurück in den Landtag, mir ist aber schon bewusst, dass es nicht klappen kann."

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