Fast wäre Nürnberg Landeshauptstadt geworden

6.3.2017, 05:58 Uhr
So feudal reiste König Ludwig anno 1866 in seinem Hofzug durch Franken.

© Hofzug von König Ludwig II. So feudal reiste König Ludwig anno 1866 in seinem Hofzug durch Franken.

Und es lag daran, dass die Münchner seinen treuen Freund und geschätzten Komponisten Richard Wagner so mit Hetze und Abneigung überhäuften: "In Nürnberg ist, wie ich sicher glaube, selbst der Pöbel intelligenter und gutwilliger als in München", schrieb Ludwig im Dezember 1866 an Cosima von Bülow, die Partnerin von Richard Wagner und spätere Cosima Wagner.

So viel mehr Zuneigung erfuhr er während seiner mehr als vierwöchigen Frankenreise als im verhassten München. Bei der Fahrt vom 10. November bis zum 10. Dezember 1866 jubelten die Menschen dem Monarchen begeistert zu, ob er nun in Bayreuth, Bamberg, Würzburg, Aschaffenburg oder Nürnberg weilte.

Abfall vom Freistaat drohte

Und das war alles andere als selbstverständlich. Denn die Abneigung für alles Bayerische saß tief in Franken. Sogar der Abfall der nordbayerischen Provinzen von Bayern drohte. Ludwig II. wurde deshalb von seinem Stab genötigt, durch Franken zu reisen.

Visualisierung: Viola Bernlocher

Dass es überhaupt so weit kam, lag am deutschen Bruderkrieg: Im Sommer 1866 hatte die schlecht ausgerüstete und unerfahrene bayerische Armee den Österreichern gegen Preußen zu Hilfe kommen müssen. Die militärische Niederlage war verheerend, Ludwigs Verhalten und Ansehensverlust ebenso: Anstatt das bayerische Heer anzuführen, zog er sich auf die Roseninsel im Starnberger See zurück.

Ernte durch Krieg ausgefallen

In Franken war durch den Krieg die Ernte praktisch komplett ausgefallen, die Vorräte waren verloren, Dörfer und Städte zerstört. Doch von der bayerischen Regierung kam kein Wort der Anerkennung für das Geleistete, erst recht keine finanzielle Entschädigung.

Im königlichen Hofzug bricht der Monarch am 10. November 1866 in Richtung Bayreuth auf, 119 Personen begleiten ihn bei seiner Reise. Von 101 Böllerschüssen wird er in Oberfranken begrüßt, bevor er mit der Kutsche zum Neuen Schloss fährt, wo er sich wenig später auf dem Balkon zeigt. Hier wie an fast allen Stationen seiner Frankenreise begegnet Ludwig jubelnden Menschen.

Überall werden ihm zu Ehren beeindruckende Fackelzüge veranstaltet, Häuser und Kirchen werden prachtvoll mit bengalischen Feuern illuminiert. Der König besucht Verwundete in den Krankenhäusern, Schlachtfelder des Bruderkrieges, auch wichtige Fabriken in Franken. Er verleiht reihenweise Orden, gibt eine Audienz nach der anderen, besucht Bälle und lässt kaum einen Theaterbesuch aus.

"Die glücklichsten Wochen seines Lebens"

Bei alldem gibt er sich erstaunlich volksnah, spricht unbeschwert mit normalen Bürgern. "Das waren die vier glücklichsten Wochen seines Lebens", glaubt Erich Adami. "Er hat sogar mit Bürgerstöchtern getanzt und war immer gut drauf", fügt der 69-Jährige aus Kleinwallstadt bei Aschaffenburg hinzu. Der passionierte Ludwig-Sammler hat für mehrere Buchprojekte mit dem Münchner Schriftsteller Alfons Schweiggert zusammengearbeitet, der Adamis Entwürfe und Recherchen in flüssig und unterhaltsam lesbare Texte geformt hat. "König Ludwig II.: Seine triumphale Reise durch Franken" (Husum-Verlag) heißt eines der Werke.

In Nürnberg weilte Ludwig mit zehn Tagen deutlich länger als in allen anderen fränkischen Städten. Fast jeden Abend ging er ins Stadttheater am Lorenzer Platz, führte sich mal Verdis Oper "Der Troubadour", mal Beethovens "Fidelio", mal Molières Komödie "Don Juan" zu Gemüte. Zudem besichtigte der Monarch Firmen wie die Cramer-Klett’sche Maschinenfabrik und die Bleistiftproduktion von A.W. Faber (heute: Faber-Castell) in Stein.

Quartier auf der Kaiserburg

Ludwig zu Ehren wehten auf den Türmen der Lorenz- und der Sebalduskirche weiß-blaue Fahnen. Mehr als 30.000 Nürnberger sollen am Wegesrand gestanden haben, als der Monarch mit dem Pferdewagen vom Bahnhof hinauf zur Burg fuhr, wo er sein Quartier aufschlug. "Von hier aus wollen Deutschland wir erlösen", schrieb der König euphorisiert an Cosima von Bülow.

"Sollte ich auch ferner Grund haben, mit den Bewohnern meiner bisherigen Hauptstadt unzufrieden zu sein, so soll mich nichts hindern, mein Hoflager in Nürnberg aufzuschlagen und dorthin den Sitz meiner Regierung zu verlegen", schreibt Ludwig sogar an Cosima von Bülow. "Auf Bosheit, vereint mit Dummheit, werden wir hier nirgends stoßen. Hier muss dereinst der große Kunsttempel sich erheben, hier wollen wir die deutsche Kunstschule errichten", träumt Ludwig, dessen Ambitionen schnell verpufften. Zu wenig durchsetzungsfähig war er gegen die Münchner Hof- und Ministerialbeamten.

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