Flächenverbrauch: Verfassungsrichter bremsen Volksbegehren

17.7.2018, 21:24 Uhr
Flächenverbrauch: Verfassungsrichter bremsen Volksbegehren

© Matthias Balk/dpa

Drei Monate vor der Bayernwahl könnte die Politik neben dem Dauerstreitpunkt Asyl tatsächlich ein anderes Thema gefunden haben: die Frage nach einer Obergrenze für den Flächenverbrauch. Anders als vor einem Jahr bei der Bundestagswahl in der Asylfrage ist es dieses Mal aber nicht die CSU, die eine Mengenbegrenzung verlangt, sondern ein Bündnis von Naturschützern. Überraschend ist dabei aber, dass die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, das entsprechende Volksbegehren wegen formaler Mängel für unzulässig zu erklären, am Ende den Aktionismus der Befürworter anfeuert und zugleich eine grundsätzliche Debatte über Verbote auslöst.

Zugegeben: Dass die Einführung einer Höchstgrenze von fünf Hektar pro Tag für die Versiegelung von freien Flächen eine Rolle im Wahlkampf spielen wird, überrascht nicht wirklich. Immerhin liefern sich Staatsregierung und die sie tragende CSU mit den Initiatoren des Begehrens, darunter Grüne, ÖDP, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, der Landesbund für Vogelschutz und der Bund Naturschutz in Bayern, seit Monaten eine Debatte.

"Das wird ein Wahlkampfthema der nächsten Wochen"

"Die gnadenlose Zerstörung Bayerns werden wir zu einem der zentralen Themen des Landtagswahlkampfs machen", sagt Richard Mergner, Landesvorsitzender des Bundes Naturschutz in Bayern (BN) unmittelbar nach der Gerichtsentscheidung in München. Nachdem die erste Enttäuschung verdaut ist, gibt sich auch der Beauftragte des Volksbegehrens und Chef der Grünen im bayerischen Landtag, Ludwig Hartmann, kämpferisch: "Die Tür für eine Höchstgrenze ist ja nicht komplett zugeschlagen. Das wird ein Wahlkampfthema der nächsten Wochen."

Wie sehr die Parteien bereits Mitte Juli im Wahlkampfmodus stecken, lässt sich an den Reaktionen auf die Gerichtsentscheidung ablesen. "Die Grünen sollten nicht trotzig reagieren", sagt Ministerpräsident Markus Söder (CSU). "Das Ziel ist gut, der Weg ist falsch", betont er weiter und lädt die Unterstützer der Obergrenzenforderung daher ein, sich doch lieber der CSU-Lösungsvariante anzuschließen. Diese setzt auf freiwillige (finanzielle) Anreize zum Flächensparen durch Zuschüsse zur Revitalisierung alter Ortskerne und zur Entsiegelung von betonierten Flächen.

Wird Thema Söder noch gefährlich? 

Auch andere politische Mitbewerber bei der Wahl, etwa die Freien Wähler und die SPD, reihen sich in die Reihe der Kritiker ein. Obwohl die grundlegende Frage des sinkenden Flächenverbrauchs unisono mit ja beantwortet wird, stufen alle die Planungshoheit der Kommunen als noch wichtiger ein.

Damit das Thema Söder und der CSU aber nicht doch noch gefährlich wird, verquickt der Spitzenkandidat die Naturschutzfrage sogleich mit einer Verbotsdebatte und folgt damit gewollt oder ungewollt einem Muster, das seit Jahren gerne bei (Wahlkampf)-Auseinandersetzungen mit den Grünen genutzt wird. Wohl nicht nur bei den Grünen dürfte die Erinnerung an die Forderung nach einem Veggie-Day im Bundestagswahlkampf 2013 noch präsent sein, als ohne inhaltliche Gründe plötzlich eine Empörungskampagne losgetreten wurde.

"Sachliche und faktenbasierte Debatte" 

Auch Bauministerin Ilse Aigner (CSU) folgt der Logik, die Debatte um Naturschutz auf eine Verbotsfrage zu reduzieren, und der Bayerische Gemeindetag gar hat das Anliegen des Volksbegehrens als "staatlichen Dirigismus" verurteilt. "Natürlich müssen wir verantwortungsvoll mit unseren Flächen umgehen. Wir wollen das aber nicht mit Verboten, sondern mit Anreizen für Kommunen schaffen", betonte Aigner. Dass auch in der CSU einige in den vergangenen Monaten unter der Hand erklärten, dass die Praxis der Freiwilligkeit augenscheinlich nicht zur gewünschten Flächensparsamkeit führt, erwähnt an diesem Tag aber niemand.

Der Bayerische Industrie- und Handelskammertag appelliert sogleich an alle Beteiligten für eine "sachliche und faktenbasierte Debatte". Zumindest für den 6. Oktober und damit acht Tage vor der Wahl dürfte der Wunsch sich nicht erfüllen: Unter dem Motto "Mia hams satt - Bauernhöfe statt Agrarfabriken und Natur statt Flächenfraß" laden alle Initiatoren des Volksbegehrens zur großen Demonstration nach München. Der Wahlkampf ist eröffnet.

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