Axt-Attacke: Angeklagter wurde frei gesprochen

22.11.2016, 08:21 Uhr
Axt-Attacke: Angeklagter wurde frei gesprochen

© Foto: Udo Güldner

"Der Tatnachweis war nicht sicher zu führen." Als der Vorsitzende Richter Manfred Schmidt nach fast drei Stunden mit seinen beiden haupt- und den beiden ehrenamtlichen Kollegen der zweiten Strafkammer das Urteil verkündete, war ihnen das lange Ringen hinter verschlossenen Türen anzumerken. Mit dem Ergebnis hatten allerdings die wenigsten gerechnet. "Am wenigsten wohl Sie selbst", sprach er den Angeklagten direkt an, der bereits zwölf Jahre seines Lebens wegen dutzender Straftaten hinter Gittern verbracht hatte.

Was sich wirklich an jenem Januar-Abend dieses Jahres in dem Durchgang zwischen Metzgerei Frank und Obsthandel Karabag abgespielt hatte, blieb auch nach drei Verhandlungstagen, etlichen Zeugen und mehreren Gutachten im Halbdunkel. Denn sowohl der Angeklagte als auch die beiden Geschädigten, die als Zeugen ausgesagt hatten, hatten sich in Widersprüche verwickelt.

Ob der Angeklagte mit dem Beil angegriffen, ob er sich nur verteidigt hatte, war mit letzter Sicherheit nicht zu klären. Ein sichtlich konsternierter Oberstaatsanwalt Otto Heyder hatte bereits bei der Anhörung des psychiatrischen Sachverständigen Dr. Christoph Mattern Rückschläge hinnehmen müssen. Aus der vom ersten Gutachter attestierten verminderten Schuldfähigkeit war eine vollständige geworden. Das hätte ebenfalls einen Freispruch bedeutet.

"Diese Tat war der traurige Höhepunkt eines verkorksten Lebens." Bei seinem Plädoyer forderte der Vertreter der Anklage dennoch vier Jahre Freiheitsstrafe für die zweifache gefährliche Körperverletzung. Den Vorwurf des versuchten Totschlags wollte auch er nicht mehr aufrecht erhalten. Den sonst am Landgericht geschätzten Gutachter ging der Oberstaatsanwalt frontal an. "Nicht überzeugend" und "holzschnittartig" seien seine Ausführungen. Der Tatablauf fände "zu wenig Berücksichtigung."

Enttäuscht zeigte sich auch Rechtsanwältin Christine Leuker, die die Nebenklage vertrat. Mit seiner Argumentation hatte sich zuletzt Rechtsanwalt Oliver Teichmann durchgesetzt. Er hatte auf Notwehr plädiert und dabei nicht nur die Aussage seines Mandanten auf seiner Seite, sondern auch ein rechtsmedizinisches Gutachten des Landeskriminalamtes. Das hatte auf der Jacke des Angeklagten Spuren eines Pfeffersprays festgestellt. Der Angeklagte hatte von Beginn an von einem Angriff gesprochen, den er mit dem Outdoor-Beil abgewehrt habe.

"Wir nehmen nicht an, dass er sich diese Geschichte ausgedacht haben kann,2 so Dr. Christoph Mattern. Der Facharzt attestierte dem Angeklagten "eine niedrige Intelligenz, die an der Grenze zum Schwachsinn" läge. Der jahrzehntelange Alkoholmissbrauch habe das Gehirn schwer geschädigt. In Kombination mit der unkontrollierten Einnahme von Medikamenten, Cannabis und Kräutermischungen habe das zu einer "Vollrausch-Symptomatik" geführt. Zum Tatzeitpunkt hätte er weder gewusst, was er tat, noch habe er diese Handlungen kontrollieren können. Es sei auch ausgeschlossen, dass er sich vorsätzlich so unter Drogen gesetzt habe, um einer Bestrafung zu entgehen. Die Verletzungen auf allen Seiten seien mit beiden Versionen des Geschehens zu vereinbaren, so Richter Manfred Schmidt bei der Urteilsbegründung.