Christoph Seefeld und seine Sucht nach Eisen

3.12.2018, 15:50 Uhr
Christoph Seefeld und seine Sucht nach Eisen

© Foto: Seefeld

Herr Seefeld, beim Kraftsport schwingt immer ein wenig das Klischee mit von muffigen Kellern und Testosteron-Überschuss. Stört Sie das?

Christoph Seefeld: Tatsächlich mag ich diese urige Umgebung mit rostigen Hanteln aus den Berserker-Zeiten. Regelmäßig trainiere ich mit meinem Heimtrainer in Erfurt in so einer spartanisch eingerichteten Turnhalle. Bei den Wettkämpfen passt es da bei meiner Vorstellung natürlich ins Bild, dass ich gelernter Metzger bin und auf einem Schlachthof in Erlangen arbeite. Ich glaube schon, dass es nicht verkehrt ist, etwas Humor mitzubringen. Im Endeffekt aber muss ich mich für jemand anderes nicht profilieren.

 

Wie hat das überhaupt angefangen mit den Gewichten?

Christoph Seefeld: Nachdem ich mit Knieproblemen beim Arzt war, sollte ich Muskeln aufbauen. Also ging ich ins Fitness-Studio und wurde schnell immer ehrgeiziger.

 

Ist das nicht gefährlich, wenn der ursprüngliche Präventionsgedanke in den Hintergrund tritt?

Christoph Seefeld: Wenn meine Frau manchmal unter meiner Laune an trainingsfreien Tagen leiden muss, kann man sicher von einer Sucht sprechen. Bisher bin ich zumindest ohne Verletzungen durchgekommen und versuche, die Belastung richtig zu dosieren. Wenn du zu oft das Tier loslässt und nur auf Gewichte abzielst, geht es freilich auf Kosten der Gesundheit. Eigentlich müsste ich noch mehr aktive Reha machen, kompensiere meine Faulheit im Moment durch Massagen und Saunagänge.

 

Wie viel Kick bietet denn der Vergleich in einer Sportart, die so viele Gewichts- und Altersklassen kennt, das fast jeder einen Pokal von Meisterschaften mit nach Hause nehmen darf?

Christoph Seefeld: Für mich geht es in erster Linie darum, mich selber zu schlagen. Klar, ein erster Auftritt auf Bezirksebene ist nur der Einstieg, bei dem man in die Abläufe hineinschnuppert, wenn auf einmal Kampfrichter anwesend sind. Auch heute noch packt mich eine gewisse Nervosität. Ein Titel in Bayern ist dann die Zwischenstufe für diejenigen, die wirklich dranbleiben wollen. Interessanter wird es auf einer Deutschen Meisterschaft, für die international ambitionierten Spitzen-Kaliber geht es um Prestige.

 

Sie selbst kletterten die Karriereleiter in der beschriebenen Folge aufwärts: Nach mehreren bayerischen Meistertiteln gelang 2017 mit dem unerwarteten Triumph bei der Westeuropäischen Meisterschaft der Durchbruch. Wie war diese Entwicklung möglich?

Christoph Seefeld: Ich bin jedenfalls nicht in einen Zaubertrank gefallen, sondern schwitze an vier bis fünf Tagen pro Woche immer zwei bis vier Stunden lang. Vielleicht ist es ein Vorteil, später angefangen zu haben. Mit gezieltem Technik-Training sind die Fortschritte anfangs üblicherweise groß. Wenn man es, je nach Körpergewicht, moderat angeht, bewegt sich die Steigerung bei der Kniebeuge und im Kreuzheben über zwei Monate bei etwa 20 kg, im Bankdrücken ist es die Hälfte.

 

Sie sind jetzt 38 Jahre alt. Wie viel Luft ist noch nach oben?

Christoph Seefeld: Ein paar mehr Pausen werde ich in Zukunft vielleicht machen müssen. Aber ich spüre, dass ich das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht habe und mache weiter, so lange in mir noch das Feuer brennt. Die Norm für die WM in Dubai 2019 ist ein Ziel oder die 300 kg im Bankdrücken, mit der Bestleistung die 1000 kg zu knacken bleibt eher ein Traum.

 

Mancher soll ja gerade in dieser Branche mit unzulässigen Mitteln nachhelfen.

Christoph Seefeld: Für mich ist das ganz einfach. Wer Doping betreibt, sollte sich der strafrechtlichen Konsequenzen bewusst sein. Im Gegensatz zu konkurrierenden Verbänden, bei denen es auch mit den Voraussetzungen für gültige Versuche anders gehandhabt wird, unterliegen wir den Bestimmungen von NADA und WADA (Anmerkung der Redaktion: Nationale und Welt-Anti-Doping Agentur). 2017 bin ich fünfmal, darunter einmal unangemeldet zu Hause abends um halb elf, kontrolliert worden. Bei einer nordbayerischen Meisterschaft waren es einmal neun von 30 Teilnehmern.

 

Klingt professionell. Wie professionell ist denn der Kraftdreikampf an sich mittlerweile aufgestellt?

Christoph Seefeld: In Deutschland betreiben auch die besten Akteure den Leistungssport nebenberuflich oder sind Studenten, bei internationalen Auftritten übernimmt der Verband die Spesen. Auf Weltniveau immer vorne dabei sind die östlichen Nationen wie Russland und die Ukraine. Ein richtiges Unterhaltungsgeschäft hat sich in den USA entwickelt, die Szene-Stars verdienen durch Sponsorenverträge mit Ausrüstern.

 

Also erlebt die Branche einen Boom?

Christoph Seefeld: Mit dem Wiedererkennungswert mancher Typen ist die mediale Aufmerksamkeit für Power-Lifting in den vergangenen zehn Jahren deutlich gestiegen. Wir sind auf dem Weg vom Rand in die Breite, das zeigt auch der Zulauf an der Basis in Forchheim, wo wir unter überragenden Bedingungen fast 40 Nachwuchskräfte betreuen. Als Mitgliedsverband im DOSB hoffen wir, irgendwann als Nachrutscher für Gewichtheben oder Ringen ins olympische Programm aufgenommen zu werden.

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