Der ICE kommt: Forchheimer Güterbahnhof muss weichen

30.7.2016, 07:00 Uhr
Der ICE kommt: Forchheimer Güterbahnhof muss weichen

Ohne die Bahn hätte es manche Nahrungsmittel nicht gegeben, Fabriken hätten keine Rohstoffe zum Verarbeiten gehabt und ihre Waren wären nicht zum Kunden gekommen. Der zentrale Umschlagsplatzwar der Güterbahnhof zwischen Haidfeldstraße und Hainstraße. Die Züge aus Nürnberg, Bamberg, Heroldsbach/Höchstadt, der Fränkischen Schweiz luden hier ihre Waren ab und nahmen neue auf.

Am Güterbahnhof liegt auch die Keimzelle der Spedition Pohl. „Mein Großvater hat mit der Bahn einen Vertrag abgeschlossen. Wir waren bahnamtlicher Rollführer der Bundesbahn“, erzählt Seniorchef Adolf Pohl. „Rollführer“, weil die Pohls für die Bahn den Transport zwischen Bahnhof und Kunden übernahmen, die Waren also dorthin rollten. Durch den Vertrag hatten sie so gut wie eine Monopolstellung. „Ausnahmen waren die Selbstabholer, aber das waren nicht viele.“

Vier Pferde, ein paar Kühe, die notfalls einspringen mussten, und sechs bis sieben Mitarbeiter waren zuständig dafür, bis zu 30 Pferdefuhrwerke zu be- und entladen.

Den Beginn markiert das Jahr 1844, als die Bahnstrecke Nürnberg—Bamberg in Betrieb genommen worden ist, sagt Stadtarchivar Rainer Kestler. 1846 wurden die ersten Lagerhallen errichtet, 1867 die Güterhalle vergrößert, 1937 eine neue Güterhalle gebaut. „Dieses Gelände war der wirtschaftliche Knotenpunkt der Region“, erzählt Kestler.

Im Verwaltungsgebäude saßen die Bahn-Beamten im Erdgeschoss, aus dem Keller heraus wurde Mineralwasser verkauft, im ersten und zweiten Stock waren Privatwohnungen untergebracht. Die Bahn vermietete vor allem an ihre eigenen Mitarbeiter. Auch die Firma Pohl hatte ein kleines Büro in dem Haus.

Morgens um sieben rollten die ersten Waggons an, „wir bekamen die Frachtbriefe, mussten dann die Waren abladen, sortieren, auf die Wagen wuchten und los ging es. Alles war Handarbeit“, erinnert sich Adolf Pohl (78). Um zwölf Uhr war Mittagspause. Von 14 bis 17 Uhr wurden die leeren Waggons mit den Waren aus der Region wieder befüllt.

Pferde waren für den Transport bis 1959 im Spiel, aber schon Jahre davor immer weniger im Einsatz. 1948 brummten die ersten Pohl-Autos vom Güterbahnhof aus in die Region. In den Wirtschaftswunderjahren ging es zunächst noch einmal richtig rund auf dem Güterbahnhofsplatz. „Als in den 70er Jahren aber immer mehr die Termingüter wichtig wurden, lief zunehmend weniger über die Bahn.“ Die Abwicklung war zu langwierig. Adolf Pohl passte sich an und setzte zunehmend auf seine eigenen Lkw, mit denen er flexibel und rasch auf Kundenwünsche reagieren konnte. Damit wurde er zwar zum Konkurrenten der Bahn, „die sahen zähneknirschend zu, aber sie konnten mir ja keine Alternative bieten“.

Ende des 20., Anfang des 21. Jahrhunderts, die Bahn hat auf Nachfrage kein genaues Jahr mitteilen können, wurde der Güterbahnhof stillgelegt.

Stellplatz für OVF-Busse

Noch bis vor kurzem hatte die Spedition Pohl (heute mit Hauptsitz im Gewerbegebiet Sandäcker mit 160 Mitarbeitern) auf dem Güterbahnhofs-Gelände eine Halle mit Waschanlage und Stellplätzen für ihre Lkw gemietet. Der Vertrag ist gekündigt, genauso wie mit dem OVF, der dort die Busse des Öffentlichen Nahverkehrs parkte und das Verwaltungsgebäude als Aufenthaltsraum für die Mitarbeiter genutzt hat.

Die Bahn braucht den Platz für die ICE-Streckenerweiterung. Zusätzliche Gleise, die geplante Schallschutzwand und Entwässerungsanlagen müssen errichtet werden, wie Thomas Sulzer von der Deutschen Bahn Projektbau GmbH erklärt. Zunächst aber wird das Gelände als Lagerfläche für Baumaterial genutzt, während die ICE-Bauarbeiten sich Richtung Eisenbahnbrücke bewegen.

Ein bisschen wehmütig könnte einem schon werden beim Abriss des Güterbahnhofs. „Aber man kann den Fortschritt nicht aufhalten, man muss mitgehen“, sagt Adolf Pohl.

 

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