Deutsch war zunächst mal zweitrangig

16.2.2017, 16:36 Uhr
Deutsch war zunächst mal zweitrangig

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Ali Fuat Karabag wurde 1974 geboren. Seine Eltern stammen aus dem türkischen Kars in der Nähe der armenischen Grenze. Die Heimat ist für die Familie längst nur noch Urlaubsort. Als Gastarbeiter kam Karabags Vater nach Forchheim, die Familie folgte wenig später. 1982 wurde der junge Ali eingeschult – in eine der speziellen Türkischklassen, die an der Martinschule eingerichtet wurden. "Dort wurden wir hauptsächlich in Türkisch unterrichtet", erinnert er sich. Deutsch war nur Zweitsprache.

Zwei Ziele der Behörden

Mit der Einrichtung solcher Klassen reagierten die deutschen Bundesländer in den 1970er Jahren auf den Zuzug ausländischer Arbeitskräfte und ihrer Familien. Dabei ging es vordergründig um zwei Ziele: Die Kinder sollten in das Schul- und später auch das Ausbildungssystem Deutschlands integriert werden. Sie sollten aber auch bei einer Rückkehr wieder in ihrem Heimatland Fuß fassen können. In den Bildungsministerien der Länder entschied man sich daher, dass die Kinder sprachlich und kulturell weiterhin durch ihre Heimat geprägt werden sollten.

"Man hatte die Hoffnung, je mehr die Kinder in Türkisch unterrichtet werden, desto größer ist die mögliche Bereitschaft, wieder in die Türkei zurückzugehen", erinnert sich ein ehemaliger Lehrer der Martinschule, der ungenannt bleiben will. Dafür kamen eigens türkische Lehrer meist für eine beschränkte Anzahl von Jahren nach Deutschland und unterrichteten hier die türkischen Schüler. So war es auch bei Ali Fuat Karabag und seinen Klassenkameraden. Anfang der 80er Jahre gab es an der Martinschule sechs türkische Vertragslehrer. "Der normale Unterricht fand in türkischer Sprache statt", sagt Karabag. Nur Deutsch und einige Stunden in Sachkunde wurden von deutschen Lehrern unterrichtet. Von der ersten bis zur vierten Klasse war das so, dann wurden die Kinder in die Regelklassen der weiterführenden Schulen integriert.

Zu der Zeit hatte sich bereits herausgestellt, dass viele Wanderarbeiter eben nicht mehr die Absicht hatten, in ihre Heimat zurückzukehren, sondern lieber blieben. "Auch bei den türkischen Eltern gab es dann die Einsicht, dass es vielleicht förderlicher ist, ihre Kinder schon in einen deutschen Kindergarten zu bringen und später auch in deutsche Regelklassen einzuschulen", sagt der ehemalige Lehrer der Martinschule. Auch weil die Nachfrage geringer wurde, reagierten schließlich die Schulbehörden: Ende der 80er, Anfang der 90er wurden die Türkischklassen abgeschafft. Geblieben ist vielerorts nur noch der Religionsunterricht in türkischer Sprache. "Der Integrationsgedanke hat sich eben immer mehr durchgesetzt", meint der Lehrer.

Ali Fuat Karabag erinnert sich gern an seine Grundschulzeit. Er ist heute fest in die Forchheimer Gesellschaft integriert, engagiert sich als Mitglied der SPD auch politisch. Gemeinsam mit einigen anderen ehemaligen Klassenkameraden hat er nun zu einem Klassentreffen der ehemaligen Türkischklasse eingeladen.

Am morgigen Samstag, 18. Februar, findet es ab 13 Uhr im Bürgerzentrum-Mehrgenerationenhaus statt. "Wir haben viele Schüler erreicht, auch wenn einige nicht mehr in Forchheim leben", freut er sich. Auch seine ehemaligen Lehrer Sakir Kaya und Josef Seubert haben ihr Kommen zugesagt. "Es wird ein Video geben, viele Fotos und Einblicke in frühere Poesiealben", kündigt Karabag an – und ist gespannt auf die Lebensläufe seiner ehemaligen Mitschüler.

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