Die Gräuel des Krieges

9.11.2018, 19:51 Uhr
Die Gräuel des Krieges

© Foto: Udo Güldner

Pantle zeigt die Apokalypse von unten und lässt diejenigen zu Wort kommen, die nicht auf Thronen oder Schlachtrossen sitzen: einen Söldner und einen Mönch. Der eine ein Mordbrenner, der andere ein ziviles Opfer. Der eine ständig zu den Schlachtfeldern Europas unterwegs, der andere in seinem Kloster Andechs ansässig.

Doch ist beiden gemein, dass sie über einen Großteil der drei Jahrzehnte, in denen die deutschen Lande entvölkert werden, ein Tagebuch geführt haben. Es sind Quellen, die den Krieg nicht schönreden, ihn nicht überhöhen. Sie berichten von den Schrecken, wie sie in jedem Krieg geschehen.

Auch Julius Caesars Gallischer Krieg war ein einziges Gemetzel, das keine Rücksicht auf die Zivilbevölkerung nahm. Auch hier geschahen Vergewaltigungen, Plünderungen, Hinrichtungen. Nur hat das alles kein antiker Autor der Nachwelt so drastisch überliefert.

Siegeszug der Flugblätter

Der Siegeszug der Flugblätter und Flugschriften, der kometenhafte Aufstieg der Zeitungen, all das trägt dazu bei, dass wir über diese Epoche so enorm viel wissen. Plötzlich beginnen auch einfache Leute, Bauern und Handwerker, mit dem Schreiben. Zahlreiche Chroniken entstehen, die jedes schlimme Ereignis gewissenhaft festhalten. Dadurch wirkt der Dreißigjährige Krieg viel grausamer und verheerender als etwa der Hundertjährige Krieg (1337—1453) zwischen England und Frankreich.

Die beiden Zeitzeugen geben ihre ganz persönliche Sicht der Dinge wieder. So schildert der Fußsoldat Peter Hagendorf (1601—1679) aus eigener Anschauung, er bekommt dabei als "stürmende Hand" zwei Kugeln ab, die brutale Belagerung Magdeburgs durch den katholischen Schlächter Tilly. Sie mündet in einem erbitterten Häuserkampf, einem Blutbad an den Bewohnern und einem absichtlich herbeigeführten Feuersturm, der rund 20 000 Menschen das ärmliche Leben kostet.

Pogrome zur Machtsicherung

Hagendorf ist aber auch Zeuge, wie in Lippstadt acht vermeintliche Hexen verbrannt werden. Es sind Missernten, Hungersnöte und Pestepidemien, die nach einem Sündenbock verlangen. Für Pantle sind es Pogrome, bei denen sich der Landesherr an die Spitze der Bewegung stellt, um die eigene Macht zu sichern.

Da ist das angeblich so finstere Mittelalter lange vorbei. In einigen Gegenden wie Würzburg wird so exzessiv angeklagt, gefoltert und ermordet, dass man etwa in Gerolzhofen einen Verbrennungsofen errichtet, weil man das wertvolle Holz nicht für Scheiterhaufen verwenden will. Die schwedischen Truppen sind es, die der Hexenverfolgung ein jähes Ende setzen.

Ähnlich traumatische Erfahrungen macht im Süden Bayerns der Geistliche Matthäus "Maurus" Friesenegger (1589—1655). Im Kloster Andechs erleidet er mit seinen Schäfchen aus dem nebenan gelegenen Dorf Erling die Stationierung ausgerechnet katholischer Truppen. Denn im Winter wird nicht gekämpft, sondern ausgeruht.

Doch wie versorgt man solche Menschenmassen, wenn der Feind rundherum "verbrannte Erde" hinterlassen hat? Es trifft auch Erling, dessen Gebäude als Heizmaterial in Rauch aufgehen. Gerät ein gegnerischer Soldat in die Hände der rachsüchtigen Bauern, werden ihm bestenfalls Nase und Ohren abgeschnitten, schlimmstenfalls wird er lebendig begraben. Die Sitten verrohen im Laufe der entbehrungsreichen Jahre.

Friesenegger schildert, wie Menschen Hunde und Katzen fressen und in Lumpen herumschleichen. Wie Erfrierungen Furchtbares anrichten. Wie überall Leichen herumliegen, die man des gefrorenen Bodens wegen nicht bestatten kann. Wie Unmengen menschlichen Unrates alles unter sich begraben.

Obwohl die Perspektiven Hagendorfs und Frieseneggers unterschiedlicher nicht sein können: Der bewaffnete Protestant im Sold des katholischen Schlachtenlenkers Pappenheim und der wehrlose Katholik hinter dicken Klostermauern machen ähnliche Beobachtungen.

Endlose Gefechte

Sie erleben, wie aus einem anfangs religiösen Bürgerkrieg durch die mehr als eigennützige Einmischung zuerst des dänischen Königs, später der Großmächte Schweden und Frankreich eine schier endlose Folge an Gefechten und Massakern wird.

Finstere Fundamentalisten und gnadenlose Gotteskrieger, machtversessene Monarchen und gewissenlose Geschäftemacher prägen das Bild. Da grenzt es fast an ein Wunder, dass irgendwann die Realpolitiker das Ruder übernehmen. 1648 besiegeln sie mit diplomatischer Beharrlichkeit im Westfälischen Frieden das endgültige Ende des Krieges. Er hat bis dahin Millionen Menschen das Leben und die beteiligten Staaten ihre Vormachtstellung gekostet.

ZDer blätterWALD rauscht weiter am Sonntag, 11. November mit "Best of Poetry Slam". Ab 19.30 Uhr zeigen im Jungen Theater Forchheim mehrere Redner ihr Können. Infos und Karten unter Telefon (0 91 91) 88-3 33.

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