Die seltene Mehlbeere zeigt sich nur in der Fränkischen Schweiz

15.6.2013, 00:00 Uhr
Die seltene Mehlbeere zeigt sich nur in der Fränkischen Schweiz

© Rolf Riedel

„Mehlbeeren gehören zum Kernobst, stammen aus der Familie der Rosengewächse, ebenso wie Äpfel und Birnen“, erklärt Niedling. „Ihre Früchte sind viel kleiner und meistens auffällig rot gefärbt. Sie werden gerne von Vögeln gefressen, die mit ihrem Kot dann die Kerne verbreiten und so für die Aussaat sorgen.“ Ihren Namen haben die Mehlbeeren wohl dem Umstand zu verdanken, dass die Früchte mancher Arten früher in Notzeiten – getrocknet und gemahlen – dem Mehl als Brotzusatz beigefügt wurden. Der Name könnte aber auch von ihrem etwas mehligen Geschmack kommen.

Im Landkreis Forchheim, so erfuhren die Teilnehmer, unterscheidet man gegenwärtig etwa acht verschiedene Arten. Einige Mehlbeeren wie die Vogelbeere, auch Eberesche genannt, sind sehr häufig und weit verbreitet. Andere Arten, zum Beispiel die Gößweinsteiner Mehlbeere, kommen nur in einem eng begrenzten Areal vor. Niedling erklärte weiter, dass solche Arten bei Tieren und Pflanzen „Endemiten“ genannt werden, weil sie für dieses Gebiet „endemisch“ sind.

Hungrig nach Licht

Mehlbeeren sind lichthungrige Pflanzen, die im normalen Waldbestand in der Regel der Konkurrenz schneller und höher wachsenden Baumarten, vor allem der Buche, unterliegen. Zu finden sind sie daher vor allem an Waldrändern oder auf kargen Felsstandorten, wo andere Baumarten sie – im wahrsten Sinne des Wortes – nicht in den Schatten stellen. Früher, so fuhr Niedling in seinen Erklärungen fort, waren die Mehlbeeren häufiger und weiter verbreitet. Das lag vor allen Dingen an der Art der Waldbewirtschaftung als Nieder- oder Mittelwald. Austriebfreudige und Licht liebende Arten wie die Mehlbeeren wurden dadurch begünstigt.
Schon im vergangenen Jahr hatte man oberhalb der neuen Versuchsfläche in Dietzhof eine kleine Schutzzone abgegrenzt und verschiedene Arten angepflanzt, die sich inzwischen alle recht gut entwickelt haben. Da ist die Vogelbeere ebenso zu finden wie die Elsbeere. Wenn sie ausgewachsen ist, gehört ihr Holz zu den wertvollsten Furnierhölzern.

Leckerbissen für Dachse

Ihre Früchte sind braun; wenn sie reif sind, fallen sie herunter und sind ein Leckerbissen für Dachse und Wildschweine. Zu sehen ist auch die pannonische Mehlbeere und die gewöhnliche Mehlbeere, der Speierling und die schwedische Mehlbeere. Gebietsbetreuer Niedling informierte detailliert und umfangreich über die vielen Arten, die weltweit nur hier, im Frankenjura, vorkommen.
Entstanden sind sie wahrscheinlich erst nach der letzten Eiszeit und gelten deshalb – naturgeschichtlich betrachtet – als noch sehr junge Art. Die endemischen Mehlbeeren, die teilweise weltweit nur in wenigen Exemplaren auf einigen Felsköpfen wachsen, vermehren sich ungeschlechtlich. Sie pflanzen sich zwar über die keimfähigen Samen in ihren Früchten fort – wie andere Obstarten auch. Ihre Blüten müssen auch bestäubt werden, die Samen entstehen jedoch ohne Befruchtung, sind genetisch einheitlich, stimmen mit dem Mutterbaum überein. Solche Pflanzen werden auch Apomikten genannt. Entstanden sind die endemischen Arten vermutlich aus Kreuzungen von sich ausnahmsweise geschlechtlich fortpflanzender Pannonischer Mehlbeere mit der Vogelbeere oder der Elsbeere.
Niedling erklärte auch die einzelnen Blattformen. Ist die Vogelbeere beteiligt, sind die Blätter stärker gelappt und länglicher als bei der Gößweinsteiner Mehlbeere. Ist die Elsbeere beteiligt, sind die Blätter schwächer als bei der Fränkischen Mehlbeere. Solche Kreuzungen werden „Bastarde“ genannt – und können in manchen Fällen ganz neue Arten entstehen lassen.

Erst 1992 entdeckt

Im Versuchsgarten kann man auch die Fränkische Mehlbeere, die Gößweinsteiner und die Hersbrucker Mehlbeere sehen, ebenso die Hohenesters Mehlbeere, die seltenste im Landkreis, die auf der ganzen Welt nur auf einzelnen Felsköpfen im Seebachtal bei Leutenbach wächst. Sie wird deshalb auch Leutenbacher Mehlbeere genannt.
Entdeckt wurde sie erst 1992 durch den Biologen und Mehlbeeren-Speziallisten Norbert Meyer, der im Jahr 2005 auch die Erstbeschreibung veröffentlichte. Benannt wurde die Art zu Ehren von Adalbert Hohenester, des 1999 verstorbenen Erlanger Professors für Geobotanik, der ein führender Pflanzensoziologe in Süddeutschland war.
Bei der Entdeckung vor über 20 Jahren wurden noch etwa 50 Stöcke der Leutenbacher Mehlbeere gezählt. Aktuell sind es nur noch zehn Exemplare.

Keine Kommentare