Die ungewöhnliche Leidenschaft des Matthias Dülp

11.1.2017, 10:00 Uhr
Die ungewöhnliche Leidenschaft des Matthias Dülp

© Foto: Rolf Riedel

Auf 16 laufenden Metern hat er nahezu sämtliche vorkommende Sorten von Haushaltshilfen zum Zweck der Aufbewahrung von Kleidungsstücken gesammelt, nummeriert und registriert. Zu jedem gibt es eine kleine Hintergrundstory, die einen faszinierenden Einblick in die Zeiten zulässt, in denen man seine Kleidung noch nicht per Internet im Versandhandel bestellte.

Dazumal ging man in ein Bekleidungsgeschäft und erwarb dort unter fachkundiger Beratung das Kleidungsstück, das für den jeweiligen Zweck das geeignetste schien. Das fing meist mit dem Kommunion- oder Konfirmationsanzug an. Zum ersten Mal ein richtiges Sakko und Hose und von da weiter über den Hochzeitsanzug bis hin zu Mänteln und Jacken, je nach Jahreszeit. Weil das erworbene Kleidungsstück möglichst lange in Form bleiben sollte, erhielt der Kunde dazu einen Kleiderbügel geschenkt. So eröffnen sich aus den Beschriftungen der Aufhänger interessante Rückschlüsse auf die historische Entwicklung ganzer Marktsegmente.

Viele große und bekannte Namen von Bekleidungshäusern sind gänzlich verschwunden oder zur Bedeutungslosigkeit verkommen. Für Matthias Dülp verbergen sich dahinter interessante Geschichten und Schicksale, die er recherchiert und aufgeschrieben hat. Aber der Sammler verfügt nicht nur über solche Bügel. Er besitzt auch eine Menge Exemplare aus Hotels. Dabei liegt das Sammeln Matthias Dülp im Blut – oder in den Genen wie er beim Besuch in seinem Haus in Etlaswind zugibt. In seiner Familie waren und sind viele der Sammelleidenschaft verfallen, eine Art „Erbschaden“ wie er es selbst bezeichnet.

Im Haus von Matthias Dülp ist man umgeben von historischen Möbeln. Auf den besonderen Wunsch des Besuchers wird eine Juke-Box aus den 1950er Jahren in Gang gesetzt.

Eine mehrere Zentner schwere öffentliche Münzwaage zeigt das Gewicht für jeden ersichtlich an und wirft eine Wiegekarte mit Datum aus. Unwillkürlich bleibt man an diesen Dingen hängen und vergisst dabei, dass man doch eigentlich wegen der Kleiderbügel gekommen ist. Matthias Dülp erfasst die Besonderheiten jedes Kleiderbügels in einer Datenbank nach Material, Farbe, Form, Mechanik, Alter, Aufschrift und Herkunft und verblüfft mit ganz neuen Erkenntnissen. Aus der anderen deutschen Republik hat Dülp einen klappbaren Reisekleiderbügel. Man findet falt- und klappbare Bügel mit Spann- und Klemmvorrichtungen für Kleider, Hosen und Röcke. Aufwändige Holzformen mit verbreiterten Schultern dienten der Aufbewahrung von Pelzen und Uniformen um die Epauletten in Form zu halten.

Manchmal ziehen an Matthias Dülps Augen ganz Spielfilme vorüber. Er fragt sich, wie oft der Besitzer des Bügels mit der Aufschrift „L.Prager Herren- und Knabenmoden Breslau 1, Albrechtsstr. 51“ den Anzug getragen haben mag. Zur Firmung, Konfirmation oder gar zu seiner Hochzeit? Jedenfalls hing er höchstens bis 1945 in Breslau, dem heutigen Wroclaw. Dann dürfte es aller Voraussicht nach Bügel, Anzug und Besitzer nach Westdeutschland verschlagen haben.

Dülp tauscht sich mit anderen Sammlern aus, von denen es zu seinem Leidwesen nicht allzu viele gibt. Zugute kommt ihm bei seiner Sammelleidenschaft, dass es gebrauchte Kleiderbügel in großer Anzahl gibt, sie einzeln praktisch keinen Marktwert besitzen und die Sammelleidenschaft dadurch finanzierbar bleibt. Per E-Mail an etlaswind@aol.com oder Telefon (0 91 26) 2 89 30 02 freut sich der Sammler immer gerne über neue Informationen oder Nachschub.

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