Die Vergangenheit lebt

21.3.2016, 18:55 Uhr
Die Vergangenheit lebt

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Im Haus von Hans Dorsch stehen Dutzende Diakästen, Fotoalben und Kartons mit Unterlagen, alles versehen mit Jahreszahlen. Sie zeigen, dass Dorsch das Geschehen in seiner Heimatgemeinde und deren Geschichte sehr am Herzen liegen. Das gesammelte Archiv ist beeindruckend, doch die meisten Erinnerungen sind im Gedächtnis des Rentners gespeichert.

Ein kurzer Blick in eine Vorlage genügt, schon sprudeln unzählige Geschichten und Anekdoten aus ihm hervor, speziell dann, wenn es um die Gestaltung des Wohnzimmers der Gemeinde, dem Marktplatz geht. Egal ob Rathaus, Oertelshaus mit Oertelsscheune oder Heiligenstädter Hof, Hans Dorsch plaudert aus dem Nähkästchen.

Zornige Einwohner

Das alte Rathaus war bis in die 70er Jahre im alten Bahnhofsgebäude in der Raiffeisenstraße untergebracht. Das jetzige Rathaus war bis einst Schulhaus, bis die 1959 ins neue Gebäude umzog. Das Haus stand danach leer, zeitweise diente es als Unterkunft für türkische Gastarbeiter und zweimal brannte es dort, direkt neben der Feuerwehr. Nachdem die Gastarbeiter das Gebäude verlassen hatten, wurde das Gebäude den örtlichen Vereinen zum Erwerb angeboten, die aber alle dankend abgelehnten.

Die allgemeine Stimmung in der Bevölkerung ging in die Richtung, dass das Gebäude abgerissen oder „versehentlich“ niedergebrannt werden sollte. Als dann bekannt wurde, dass „die alte Hütte“ saniert und zum neuen Rathaus umgebaut werden sollte, stieß dies auf nur wenig Gegenliebe. Die damaligen Gemeinderäte mussten sich sogar anhören, dass sie „aufgehängt gehören“, weil die Geld der Gemeinde verschwendeten. Als der Umbau aber abgeschlossen war, waren auch 90 Prozent der Einwohner sehr zufrieden mit dem Ergebnis.

Der Einzug der Gemeindeverwaltung in das neue Domizil war Türöffner für weitere Maßnahmen zur Aufwertung des zuvor „toten“ Marktplatzes. Hans Dorsch erzählt den Werdegang des Oertelshauses und der gleichnamigen Scheune so, als hätte sich das alles gestern abgespielt. Das um das Jahr 1800 errichtete Haus und die damalige Scheune dienten noch 100 Jahre später als Poststation.

Fluss durch Gemeindezentrum

Letzter Besitzer war der Schreiner Wilhelm Oertel. Von ihm kaufte die Raiffeisenbank das Anwesen und veräußerte es 1976 an die Gemeinde weiter. Die stark vom Verfall bedrohte Scheune musste abgerissen werden, das Haupthaus mit seinem typischen fränkischen Fachwerk konnte gerettet und, unterstützt mit öffentlichen Mitteln saniert werden.

Fast unglaublich ist Dorschs Erzählung von den ursprünglichen Plänen zur Hochwasserfreilegung der Leinleiter im Bereich der Oertelsscheune. Es gab eine Planung, in der der kleine Fluss in einem Betonbett kerzengerade durch das Gemeindezentrum geleitet werden sollte. In einem zweiten Entwurf setzte sich „grüner Einfluss“ durch und das Bett der Leinleiter bekam seine jetzige Form.

Dorsch legt sein Manuskript zur Seite, wenn er die Geschichte des „Heiligenstädter Hofes“ Revue passieren lässt. Seit 1763 stand eine Herberge an der Stelle des heutigen Gasthofes. In der Mitte des 19. Jahrhunderts war das Anwesen eine von sieben Schänken und Braustätten in der Gemeinde. Gebraut wurde auf der Fläche des später im hinteren Teil des Gebäudes errichteten Saales. Der Braukeller war am Pfarrberg.

Brandt schmeckte die Forelle

Heinrich Zolleis, musste das Anwesen aus finanziellen Gründen 1930 verkaufen, über Umwege kam es in den Besitz der schwäbischen Familie Fürst. Leonhard Fürst legte das Fachwerk an der Frontseite frei, sein Sohn Paul renovierte das Gebäude in den 50er Jahren noch einmal von Grund auf. Prominentester Besucher im Gasthof Fürst war Anfang der 60er Jahre der damalige Regierende Bürgermeister von Berlin, Willy Brandt, der sich von der Qualität der fränkischen Küche überzeugte.

Nach dem Verkauf an eine Berliner Familie ging es bergab. „Das waren einfach keine Wirte“, sagt Dorsch. Schließlich erstand die Raiffeisenbank das Gebäude bei einer Zwangsversteigerung, 1986 kaufte es die Gemeinde. Ein Jahr später, in der Nacht vom 17. auf den 18. Juli sorgte ein Brand für erhebliche Schäden. Die Familie Harrer übernahm, baute das abgewirtschaftete Anwesen nach und nach um und erweiterte es. Der hintere Teil wurde komplett neu gestaltet, der vordere, dem Marktplatz zugewandte Teil, zum Großteil. Seit 1991 ist der Heiligenstädter Hof, wie der Gasthof heute heißt, nicht nur ein Drei-Sterne-Haus, sondern auch ein zentraler Treffpunkt.

Als Begleitprogramm zum Frühlingsmarkt bietet die Gemeinde am Sonntag, 24. April, um 19 Uhr im Feuerwehrhaus speziell für Jugendliche einen „Rückblick auf Heiligenstadt“ an. Auch Dorsch wird dort in Bild und Ton die Vergangenheit aufleben lassen. Es liegen bereits 35 Anmeldungen vor.

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