Die Zapfenjäger von Reifenberg

7.9.2013, 11:00 Uhr
Wagemutig: Mathias Schmidt in luftigen Höhen.

© Lena Knauer Wagemutig: Mathias Schmidt in luftigen Höhen.

Wagemutig klettert Mathias Schmidt, ausgerüstet mit Sicherheitsgurt und Steigeisen, an der schlanken Tanne nahe der Vexierkapelle Reifenberg hinauf. An die 30 Meter bringt der 23-Jährige in weniger als fünf Minuten hinter sich, dann sucht er sich in der Baumkrone einen festen Halt. Hier findet er die aufrechten Tannenzapfen, die er pflückt und in Säcken sammelt. Nach einer knappen Stunden ruft er schmunzelnd herunter: „Der Baum ist gemolken.“ Ein Sack voll mit klebrigen Tannenzapfen landet krachend auf dem Boden.

„Schadstoffe in der Luft und die schneller wachsende Fichte haben die Tannen in den letzten Jahrzehnten verdrängt“, erklärt Daniel Schenk vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Bamberg. Nahe der Vexierkapelle liegt eines der wenigen Tannenwaldrelikte der Region, um das sich Daniel Schenk kümmert.

Drastischer Rückgang

Dass es aber so schlecht um die Tanne steht, weiß kaum einer. Mit der Aussaat von Tannensamen und dem Schutz der Jungpflanzen soll dem drastischen Rückgang der langsam wachsenden Tanne entgegengewirkt werden. „Wir wissen nicht, was der Klimawandel bringt“, so Schenk. Tannen sind widerstandsfähig und so besteht die Hoffnung, dass die Wälder durch die Tannen in Zukunft sturmfester sind. Die Ernte wird nur in ausgewählten Tannenbeständen mit guter Wüchsigkeit und guter Veranlagung durchgeführt. Der Gemeindewald in Weilersbach-Reifenberg bietet all diese Qualitätsmerkmale.

„Bisher ist alles gut gelaufen“, sagt Felix Jäger, der in seiner ersten Saison als „Zapfenpflücker“ arbeitet. Der 20-Jährige kommt aus der Nähe von Haßfurt und kümmert sich als Waldarbeiter eigentlich um Problembaumfällung. Über Zusatzausbildungen im Klettern hat er sich für die Aufgabe als „Zapfenpflücker“ qualifiziert, die er gemeinsam mit dem selbstständigen Mathias Schmidt im Tannenwald von Reifenberg ausübt.

Vier bis fünf Bäume schafft jeder von ihnen an einem guten Tag und erntet dabei einige Säcke voller Tannenzapfen. Mindestens 20 Bäume müssen die beiden im Tannenwald von Reifenberg abernten, um eine genetische Vielfalt der Samen zu garantieren. Nach der Ernte werden die Samen aus den Hüllen der Tannenzapfen geholt und so schließlich zur Aussaat verkauft. Knapp 100 Euro kostet das Kilo reiner Tannensamen aus einem Qualitätswald wie bei Reifenberg.

Um einen Hektar reinen Tannenwald anzusäen, bräuchte man zwischen zehn und 15 Kilo Saatgut, aber einen reinen Tannenwald hat die Forstgemeinschaft nicht zum Ziel. Die Samen aus dem Tannenwald bei Reifenberg werden ausgesät, um ausgewogene Mischwälder zu erhalten. „Wir haben in Oberfranken 22000 Waldbesitzer und verkaufen jährlich um die 200000 Festmeter Holz“, sagt Johannes Hölzer von der Forstwirtschaftlichen Vereinigung Oberfranken (FVO). „Für uns ist es wichtig, ein ausgewogenes Verhältnis an Baumarten zu haben, um einen Preissturz des Holzes bei Schädlingsbefall zu vermeiden.“ Die FVO setzt sich deshalb auch für die Saatgutgewinnung der Tannen ein und sorgt für eine Vorfinanzierung der Projekte. So kann das Saatgut aus Waldbeständen mit qualitativ hochwertigen Tannen in der Fränkischen Alb ausgesät oder zur Veredelung genutzt werden.

Während für Felix Jäger am Mittag schon Feierabend ist, verschafft sich Mathias Schmidt in 30 Metern Höhe noch einmal einen Überblick. Fachkräfte wie Daniel Schenk haben zwar ertragreiche Qualitätsbäume vorab markiert, doch von oben kann Schmidt doch besser erkennen, welche Tanne die meisten Zapfen trägt. „Die Tanne neben meiner schaut gut aus. Ich spring mal eben rüber“, ruft der erfahrene Baumkletterer herunter. Daniel Schenk lacht, ein Scherz war das jedoch nicht. Vorsichtig zieht Schmidt sich den Wipfel der benachbarten Tanne heran, indem er sich einige Äste ebendieser packt. Ein großer Schritt, ein lautes Knacken und schon ist er auf der nächsten Tanne.

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