Dobenreuth 1945: Gefechtslärm wie Donnergrollen

15.4.2015, 08:00 Uhr
Dobenreuth 1945: Gefechtslärm wie Donnergrollen

© Franz Galster

Innerlich bewegt erzählt er bei einem Gespräch mit den NN über jene Zeit, besonders aber über den Einmarsch der Amerikaner in Dobenreuth am 15. April 1945. Vermutlich ist es vielen anderen Orten ähnlich ergangen und trotzdem erscheint es als etwas Besonderes.

Bereits drei Tage vorher ist das Donnergrollen des Gefechtslärms aus Richtung Bamberg zu hören. Dazu die dumpfen Explosionen beim Sprengen der Regnitzbrücken, unter anderem in Forchheim, mit denen die Deutschen die Amerikaner noch immer am Vorrücken zu verhindern suchen.

Der alte Ortskern von Dobenreuth, so erinnert sich Dummert, besteht zu dieser Zeit aus 33 Häusern. Der 15. April 1945 ist ein Sonntag. Der Kampflärm rückt immer näher. Auf dem Kirchenvorplatz versammeln sich die Gläubigen um 9 Uhr zum Gottesdienst mit Pfarrer Geistlicher Rat Obenauf. Er spendet dem Dorf und seinen Einwohnern den kirchlichen Segen.

Angst und Nervosität

Punkt 15 Uhr stehen die Amerikaner, von Gosberg kommend, vor dem Dorf. Hans Brütting vom ersten Haus am Ortsrand geht ihnen mit der weißen Fahne entgegen, die Amerikaner rücken ein. Angst und Nervosität herrscht auf allen Seiten. Die Einwohner suchen Schutz in den Kellern oder verkriechen sich in den Scheunen. Die vielen Panzerspähwagen und sonstigen Armeefahrzeuge verursachen regelrechte Staus beim Einrücken. Einige Soldaten klopfen mit den Gewehrkolben an die Klappläden bei Dummerts Haus.

Die Mutter öffnet verängstigt. „Warum weinen, amerikanischer Soldat braver Soldat“, hört sie einen vor ihr stehenden amerikanischen Offizier sagen. Unweit davon verstecken sich im Anwesen Rascher auch Flüchtlinge aus dem Saarland im Keller. Ein nervöser Panzerschütze sieht am Haus eine Gestalt laufen und vermutet Schlimmeres. Er schießt von der Straße durch das Wohnzimmer. Das Geschoss tritt auf der anderen Seite des Hauses wieder aus.

Dobenreuth 1945: Gefechtslärm wie Donnergrollen

© privat

Der Einschlag ist glücklicherweise hoch genug, dass die Leute im Keller heil bleiben. Das Loch bleibt noch viele Jahre sichtbar. Zwei Tage später halten zwei Panzerspähwagen am Kirchenplatz. Die Mannschaften durchkämmen das Dorf, durchsuchen die unteren und oberen Stockwerke nach deutschen Soldaten und konfiszieren Jagdgewehre und weitere Waffen jeglicher Art.

Mann wird mitgenommen

Diese schmeißen sie auf einen Haufen und fahren mit schwerem Gerät darüber, um sie unbrauchbar zu machen. Alle wehrfähigen Männer des Dorfes haben sich im Anwesen Heilmann zu versammeln. Ein Mann kann sich vor den Amerikanern nicht ausweisen und wird mitgenommen. Später kommt er, so Dummert, als besseres Skelett vom amerikanischen Gefangenenlager bei Bad Kreuznach zurück.

„Tapfere Männer“, Dummert sagt dies mit unverkennbarem Unterton, wollen noch vor Kunreuth einen „Volkssturm“ aufbauen. „Volkssturm“ nannten die Nazis jene älteren Männer und Jugendlichen, die sie noch in den letzten Kriegswochen als Kanonenfutter gegen die anrückenden Truppen der Alliierten ins Feuer schickten.

Sie fällen große Eichen am Weg und legen die mächtigen Stämme über die Straße. Sie sollen als Panzersperren dienen. Zusätzliche Panzerabwehrkanonen am Steingraben vor Kunreuth sollen die Amerikaner aufhalten. Anton Dummert holt anschließend zusammen mit Bürgermeister Hans Mirsberger und Hans Heid mit einem Handwagen zwei tote deutsche Soldaten von der ehemaligen PAK-Stellung (Panzerabwehrkanone) ab. Über Feldwege geht es zum Dobenreuther Friedhof, wo sie vorläufig begraben werden.

Kopfschütteln über Menschheit

Für einen Moment stockt Anton Dummert in der Erzählung und wird sehr nachdenklich. „Es war schon traurig“, sagt er. „Wann immer das Glöcklein läutete, wussten wir, es ist wieder jemand gefallen.“ Er selbst musste am 8. Dezember 1941 mit 18 Jahren zum Arbeitsdienst.

Es war mehr ein Drill zum Fitmachen für den Krieg, in den er dann ziehen musste. In Russland erhielt er einen Oberarm- und Knochendurchschuss, ein Kamerad aus Hetzles zog ihn aus der Schusslinie und rettete ihm das Leben. Dummert durchwanderte mit seiner Verletzung acht Lazarette in verschiedensten Regionen und wurde auf Grund der Verletzung 1944 ein Jahr vor Kriegsende entlassen.

„Es sind jetzt 70 Jahre her und die halbe Erdkugel brennt schon wieder“, schüttelt er den Kopf. Er versteht nicht, dass die Menschheit nie gescheiter wird. Dann blitzen seine Augen doch mit einem gewissen Schalk auf und er meint zum Schluss des Gespräches: „Ich musste meine Jugend opfern. Der Herrgott denkt wohl, geben wir ihm noch ein paar Jahre dazu.“ Zum ersten Mal huscht jetzt ein Lächeln über sein Gesicht.

Keine Kommentare