"Ein Midlife-Greis": Kabarettist Michi Marchner kommt nach Forchheim

6.2.2019, 16:51 Uhr

© Foto: Ralf Rödel

Herr Marchner, Sie waren ja schon mehrfach in Forchheim. Zuletzt saßen Sie beim ZirkArt-Festival in einer Mülltonne oder mitten auf der Straße und machten mit ausgefallenen Instrumenten aus Schaufeln, Pömpeln oder Gartenschläuchen Recyklang . . .

Michi Marchner: Nicht nur das – ich hab’ auch den Eröffnungsabend moderiert. Tatsächlich war ich schon öfter in Forchheim — beim "Donnerwetter Varieté" zum Beispiel und auch mit einem Solo-Abend im Jungen Theater. Das Publikum war jedes Mal total begeistert, ja enthemmt — ich find’, da könnten die Oberbayern ruhig mal ein paar Vorurteile den Franken gegenüber abbauen. Inzwischen bin ich ein echter Forchheim-Fan. Forchheim und ich, wir mögen uns. Die Ecke kenne ich ja recht gut, seit ich dereinst in eine Hessin in Bamberg verliebt war.

Was erwartet die Besucher denn diesmal?

Michi Marchner: Wie schon mein Programmtitel verrät, mache ich ausnahmsweise das, was ich immer tue, und zwar das, was ich am besten kann. Ich bin halt eine ziemliche Rampensau im besten Sinne des Wortes, ich geb’ einfach gern Gas auf der Bühne, und man bescheinigt mir, ein recht kompetenter Gitarrist und Pianist zu sein. Meine Songs und Geschichten sind weder inhaltlich noch stilistisch einer bestimmten Schublade zuzuordnen, ich würde mal sagen, sie haben alles von Witz bis Tiefgang, dürfen gern ganzkörperlich berühren und sind vor allem sehr lustig.

Das mit dem "frühen Spätwerk" klingt, als ob es mit Michi Marchner zu Ende ginge.

Michi Marchner (lacht): Sie meinen im Sinne von: Das Haar wird dünn, das Haar wird weiß, hurra, ich bin ein Midlife-Greis! Klar, ich stehe jetzt seit mehr als 30 Jahren auf der Bühne und bin in einem Alter, wo mir weibliche Fans auch mal Geschichten von ihren Wechseljahren erzählen. Das war früher definitiv anders und ich geb’s ehrlich zu, so genau will ich’s dann eigentlich gar nicht wissen.

Es ist zwar noch etwas Zeit, aber das Ende ist bereits absehbar, am Horizont. Ich kenne keinen, der mit 80 noch einmal eine Lehre anfängt. Die meisten sitzen da im Schaukelstuhl und lassen es ruhig angehen. Aber bis dahin dauert es schon noch ein bisschen. Ich bin jedenfalls gespannt, was das Leben noch so alles für mich bereit hält.

"Multiinstrumentalist"? Was kann man sich darunter vorstellen?

Michi Marchner: Meine erste große Liebe war die Gitarre und ist es bis heute geblieben. Das hab ich von klein auf gelernt, so richtig, wie man’s kennt, mit Gitarrenunterricht bei Frau Maier. Der entscheidende Lehrer in Sachen Live-Performance war dann Shawn Vegvary, ein amerikanisch-ungarischer Gitarrist und Entertainer.

Der hat mir gezeigt, wie Bühne geht. Klavierspielen hab’ ich mir selber beigebracht, während meiner Ausbildung zum Kinderpfleger. Wir hatten zu Hause ein verwaistes Klavier stehen, manchmal bereue ich, dass ich’s nicht von klein auf gelernt hab’, ich wär’ schon auch ganz gern ein Glenn Gould geworden. Die anderen Instrumente wie Schlagzeug, Kontrabass etcetera sind mir dann im Laufe meiner Bühnenjahre über den Weg gelaufen.

Wie ist denn das mit Ihrem oberbayerischen Dialekt. Hilft der oder stört der eher?

Michi Marchner: Letztes Jahr hab ich acht Wochen lang das Varieté im Georgspalast in Hannover moderiert und ich sag mal so: Wenn dich der Durchschnittshannoveraner versteht, versteht’s auch der Rest der Republik. Klar spreche ich in Hamburg oder Berlin anders als in Niederbayern oder Forchheim. Da dimme ich dann mein Bayerisch herunter. Aber andererseits mögen’s ja grad die Preissn besonders gern, wenn das "so richtig dufte daherbayert".

Wer bei schönem Wetter am Ammersee entlang spaziert, der kann Sie unweit Ihres Hauses öfter Mal mit der Gitarre am Ufer sitzen sehen.

Michi Marchner: Richtig, dann liegt ein Hut vor mir und ich improvisiere mich durch den Nachmittag. So hat auch alles angefangen, 16, 17 Jahre alt, während die anderen Mathe gelernt haben, hab’ ich meine ersten selbstkomponierten Bob-Dylan-Songs geübt und als Straßenmusiker meine ersten Taler verdient. Ich mag das immer noch, vor allem weil sich das Publikum da zufällig zusammenfindet, das dann auch freiwillig zuhört. Ins Theater geht man ja oft gar nicht ganz sooo freiwillig, sondern nur weil die Frau Karten gekauft hat (lacht), und wenn man erst mal drin ist, kommt man auch nicht mehr so leicht weg. Straße ist da sehr ehrlich!

Wie viel Michi Marchner steckt denn in den Texten?

Michi Marchner: Eigentlich schreib’ ich alles selber. Aber wenn mir was so richtig gut gefällt, dann lass’ ich mich schon mal zu einer Coverversion hinreißen. Die Sachen fallen mir meistens unterwegs ein. Wenn ich was sehe was mich bewegt oder berührt wird da fast automatisch ein Text draus. Selten gleich ein fertiges Lied.

Vielleicht ist es eine Strophe, manchmal nur eine Zeile und manchmal nur eine Idee. Da kommt dann meine Regisseurin Martina Schnell ins Spiel. Während ich schon dazu neige, mit so einem Fragment auf die Bühne zu gehen und zu schauen was passiert, ist sie streng der Meinung, dass man die Lieder und Texte erst fertig schreibt, bevor man sie präsentiert. Man kann also schon sagen, dass sie in den Programmen der letzten zehn Jahre schwer die Finger drin hat, und ehrlich gesagt tut mir das so richtig gut. Ich wüsste gar nicht, was ich ohne sie täte.

Sie machen nicht nur Musik, sondern erzählen auch Geschichten. Wo kommen die her?

Michi Marchner: Das ist gar nicht so leicht zu erklären. Ich denke halt immer ein bisschen anders als die meisten Leute. Das war schon immer so. Dabei ist es definitiv nicht immer ein Spaß, wenn man Ich ist. Massenphänomene machen mich eher skeptisch. Wenn alle etwas super finden, werde ich misstrauisch und natürlich will ich genau das der Welt mitteilen.

Ist das der Grund, warum Sie kein politischer Kabarettist sind?

Michi Marchner: Ich habe durchaus eine politische Haltung und verberge die auch nicht. Die Gesellschaft interessiert mich, wir leben schließlich zusammen. Aber um fundiertes Politkabarett zu machen, muss man richtig in der tagesaktuellen Materie drin sein. Für jede Vorstellung seine Texte aktualisieren, das ist einfach ein anderes Genre. Ich bewundere Kollegen sehr, die das können, aber es entspricht mir nicht. Man muss sich auch entscheiden: täglich fünf verschiedene Zeitungen lesen oder Instrumente üben – selbst mein Tag hat nur 24 Stunden.

Sie sind ja nicht nur solo unterwegs, sondern auch als Duo und auch regelmäßig mit dem Kabarettisten Helmut Schleich.

Michi Marchner: Das stimmt. Ich stehe seit über 30 Jahren mit meinem Kollegen Martin Lidl als "Les Derhosn" zusammen auf der Bühne. 30 Jahre: Das haben viele Bands und Ensembles nicht geschafft. Wir halten es wie in einer guten Ehe: gemeinsame Hobbys und wenig Körperkontakt. Ich mag das Zusammenspiel mit anderen. Helmut Schleich zum Beispiel ist lustigerweise ein Klassenkamerad von mir aus der Grundschule. Seit 15 Jahren treten wir regelmäßig gemeinsam auf. "Schleich meets Les Derhosn" heißt das.

Und wo sehen Sie sich eher, im Ensemble oder als Solist?

Michi Marchner: Das kommt immer drauf an, wie sich die Kollegen verhalten (lacht). Danke für das Gespräch.

 

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