Experten schützen Orchideen in der Fränkischen

21.5.2018, 09:00 Uhr
Experten schützen Orchideen in der Fränkischen

© Foto: Roland Huber

Wenn einer sich für etwas interessiert, das die Mehrheit kalt lässt, heißt es, er bediene ein "Orchideenfach". Adolf Riechelmann kann darüber nur lachen. Denn zum einen ist er ein Spezialist, was Orchideen betrifft und zum anderen weiß er seit Kindertagen, dass diese Kleinode so selten nicht sind, aber leider immer seltener werden.

Der gebürtige Ebermannstädter kommt aus einem Installationsbetrieb. Den Vater trieb es Sonntag für Sonntag hinaus in die Natur, der Bub begleitete ihn dabei und lernte auf diesen Spaziergängen die heimische Flora erst entdecken und dann immer besser zu spezifizieren.

Die sonntäglichen Touren haben Adolf Riechelmanns Berufswahl beeinflusst, davon ist er überzeugt: Als Studienrat im Realschuldienst unterrichtete er bis zu seiner Pensionierung Chemie, Biologie und Religion.

In seiner Freizeit trieb es ihn auf die heimischen Wiesen, wo er allein und mit Gleichgesinnten auch die Orchideen wissenschaftlich unter die Lupe genommen hat. Es gibt Bücher von Adolf Riechelmann und Veröffentlichungen in Fachpublikationen.

Immer weniger Orchideen

Zwölf Orchideen sind "Neubeschreibungen": Unter anderen entdeckte Adolf Riechelmann mit seinem Freund Adolf Zirnsack 2008 die spätblühende Breitblättrige Ständelwurz. Die Männer machten sie auf der Retterner Kanzel und bei Pinzberg ausfindig und hinterlegten einen Eintrag im Herbar der Erlanger Universitäts-Bibliothek.

Experten schützen Orchideen in der Fränkischen

© Foto: Riechelmann

Die "Spätblühende" stach den Experten im August ins Auge, eine ungewöhnliche Blühzeit für Orchideen, deren Saison auf fünf Monate im Jahr, von Anfang April bis Ende August, beschränkt ist. In diesen wenigen Wochen schwärmen die Mitglieder des Arbeitskreises Heimische Orchideen aus und suchen die Bestände auf, deren Plätze sie kennen wie andere ihre Westentasche.

Auf diese Weise fiel Adolf Riechelmann auch ein Rückgang des Kleinen Knabenkrauts im Landkreis Forchheim auf. Die "Orchis morio" genannte Pflanze, was soviel wie Narrenkappe heißt, leidet zusehends unter der Klimaveränderung.

"Steigende Temperaturen und ein höherer Stickstoffeintrag nehmen den Pflanzen die Lebensgrundlagen", sagt der Orchideen-Spezialist. Viele Landwirte pflügen ihre Magerwiesen zu Ackerland um oder düngen die Wiesen, damit sie mehr Futtermittel gewinnen können, das bekommt den Orchideen nicht, die keinen Stickstoff vertragen.

Sträußchen am Altar

Aber es gilt nicht nur das Totenglöckchen zu läuten: Just auf einem Parkplatz in Ebermannstadt entdeckte Adolf Riechelmann eine Bienen-Ragwurz und eine Bocks-Riemenzunge, die tatsächlich nach Ziege stinkt. Es sind Orchideenarten aus dem Mittelmeerraum, denen es mittlerweile auch in nördlichen Gefilden gut geht – ein Indiz für die Klimaerwärmung.

Bis vor einigen Jahren unternahm Adolf Riechelmann regelmäßige Exkursionen mit interessierten Laien und zeigte ihnen die Plätze mit den schönsten Pflanzen, darunter auch Frauenschuh-Orchideen, die früher so häufig vorkamen, dass man an Fronleichnam die Altäre mit Sträußchen von ihnen geschmückt hat. Mittlerweile gibt es wesentlich weniger Frauenschuh und der Orchideen-Mann lässt auch die Begehungen sein. Das hat seinen Grund.

Pflanzenfrevler unterwegs

Er musste bei seinen Folgebesuchen feststellen, dass die Naturfreunde wie Pilzsammler zu den "Plätzen" ausgeschwärmt waren und die Pflanzen ausgegraben hatten.

Experten schützen Orchideen in der Fränkischen

© Foto: Riechelmann

Zuletzt hatten Diebe bei Tiefenstürmig gefrevelt und sich mehr als 50 Orchideen "geholt". Leider war ihnen dabei auch eine Pyramiden-Orchis mit auf den Spaten gerutscht: "Die einzige Pflanze ihrer Art in ganz Bayern", bedauert Adolf Riechelmann, der nur noch mit seinen Freunden wie Hans Kohlmüller ins Feld zieht, mit dem er in dieser Saison das Fleischfarbene Knabenkraut in der Fränkischen Schweiz näherer Betrachtung und Zählung unterziehen will.

Nicht mehr wie geplant bauen

"Knabenkraut" heißt diese Art übrigens, weil früher die Mär verbreitet war, wenn schwangere Frauen die Wurzeln dieser Pflanze essen, würden sie einen Knaben zur Welt bringen. Die Männer aus dem Orchideenfach werden in letzter Zeit öfter vom Landratsamt und von der Unteren Naturschutzbehörde konsultiert, wenn es um die Ausweisung von Bebauungsgebieten geht. Man will Aufregungen wie in Hamburg vermeiden: Dort hatte es um den Schierlings-Wasserfenchel in Sachen Elbvertiefung viel Aufregung gegeben.

In Franken wird also angefragt, ob Grüne Hohlzunge, Holunderknabenkraut oder Fliegen-Ragwurz einem neuen Forstweg beispielsweise im Weg stehen. Adolf Riechelmann nennt ein Beispiel aus der Gegend von Obertrubach, wo eine Straße nicht wie geplant gebaut werden durfte. Für die Herren aus dem Orchideen-Arbeitskreis eine schöne Bestätigung ihrer Tätigkeit, von der sie nicht wieder lassen wollen.

Schmunzelnd zitiert Adolf Riechelmann einen amerikanischen Kollegen, der die Erfahrung machte: "Du kannst von Alkohol, Drogen, Frauen, Essen und Autos lassen, aber wenn du einmal auf Orchideen abfährst, dann bist du erledigt. Von Orchideen kommst du nicht mehr weg, im Leben nicht".

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