Film ab: Sebastian Körber nun im Kino

12.11.2015, 06:00 Uhr
Film ab: Sebastian Körber nun im Kino

© Foto: privat

Nancy Brandt stammt aus Halle. Als die 35-Jährige an die Filmhochschule nach München kam, war sie eine der wenigen „aus dem Osten“. Ihren Exotenstatus hat sie immer wieder gespürt und das Gefühl gehabt, sich ständig damit auseinandersetzen zu müssen, dass sie aus einer Diktatur kommt, sagt sie. Irgendwann waren die Fragen da: Wie ist das eigentlich mit der Demokratie? Was kann ich tatsächlich bewirken? Ihr Abschlussprojekt war geboren, ein Mammutprojekt.

Im Internet suchte sich Nancy Brandt fünf junge Politiker verschiedener Parteien aus, die alle 2009 zum ersten Mal in den Bundestag gewählt wurden. Nach einem persönlichen Treffen war klar, alle machen mit. Sebastian Körber (FDP), Steffen Bilger (CSU), Daniela Kolbe (SPD), Agnes Krummwiede (Bündnis90/Die Grünen) und Niema Movassat (Linke).

„Bei Sebastian Körber fand ich spannend, dass er bereits Vorsitzender der Jungen Liberalen war und schon sehr engagiert.“ Vier Jahre lang begleitete Nancy Brandt die Politiker. Nicht auf Schritt und Tritt, aber immer wieder, alle zwei Sitzungswochen etwa, plus Besuche in den Heimatwahlkreisen. Bei Sebastian Körber konzentrierte sich die Dokumentarfilmerin vor allem auf sein Projekt „Barrierefreier Bahnhof Forchheim“. Sie habe sich bei diesem Projekt ein wenig an den Kampf David gegen Goliath erinnert gefühlt, sagt Brandt.

Höhen und Tiefen

Am Ende seien fünf ganz unterschiedliche Porträts herausgekommen. Fünf Menschen, die versuchen, sich im politischen Alltag im Bundestag durchzusetzen, Niederlagen kassieren, kleine Erfolge feiern.

Die Dramaturgie gibt das wahre Leben vor. So sieht man gleich zu Beginn Sebastian Körber durch den Bundestag gehen, besser gesagt irren. „Da habe ich mich schlicht verlaufen“, sagt der heutige FDP-Stadtrat, der damals mit 29 Jahren jüngster bayerischer Bundestagsabgeordneter war. Auch wenn er das Recht gehabt hätte, nein zu dieser Sequenz zu sagen, Körber fand sie sehr authentisch. Es brauchte allerdings Zeit, die Kamera nicht mehr wahrzunehmen, um sich „so wie immer zu verhalten“, erinnert sich der heute 35-Jährige. „Ich durfte Frau Brandt zum Beispiel nicht die Tür aufhalten, sonst wäre ich ja aus der Kamerafahrt herausgelaufen.“

Vier Jahre später hört man ihn im Film auf die Frage, was sein Fazit sei, spontan sagen: Er sei dicker geworden. Mehr Authentizität geht nicht. Natürlich hat er nicht nur körperlich zugelegt. „Ich habe unheimlich viele Erfahrungen gemacht, meinen Horizont erweitert.“ Wo treffe man sonst so viele interessante Menschen. An die Privataudienz beim Papst, zum Beispiel, kann er sich noch erinnern, an eine Begegnung mit Marcel Reich-Ranicki und ein Gespräch mit Angela Merkel im Aufzug. Ganz abgesehen davon, sieht er auch seine politische Arbeit während der Zeit positiv, auch wenn es mit der Barrierefreiheit am Forchheimer Bahnhof vor dem Umbau wegen der ICE-Streckenerweiterung nicht geklappt hat. Es gehe im Bundestag nicht darum, gleich bei den großen Entscheidungen mitzumischen. Erfolg sei, an den kleinen Stellschrauben drehen zu dürfen. „Und wenn das bedeutet, dass ein Formular für den KfW-Kredit nun etwas einfacher gestaltet ist.“ Körber war baupolitischer Sprecher seiner Fraktion im Bundestag.

Für Nancy Brandt stand am Ende zunächst einmal die Erkenntnis, das Projekt war eine Mammutaufgabe, war viel größer und aufwändiger als anfangs vermutet. Aber sie hat es geschafft, dieses „Low-low-low-Budget-Projekt“ zu schultern. 300 000 Euro hat sie eingesammelt, unter anderem der Bayerische Rundfunk stieg mit ins Boot und wird den Film auch im Fernsehen zeigen. Sie selbst ist inzwischen als freischaffende Dokumentarfilmerin tätig.

Manchmal ernüchternd

Es gibt noch eine zweite Erkenntnis, es ist die Antwort auf ihre Ausgangsfrage „Was kann ich in dieser Demokratie bewirken?“ Nancy Brandt: „Demokratie ist in der Praxis ein sehr langwieriger Prozess, am Ende einigt man sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner.“ Ernüchternd fand Nancy Brandt es „trotz wirklich großer Bemühungen, nicht in den Ausschüssen drehen zu dürfen, in denen die eigentliche Arbeit passiert“.

„Die Gewählten“ läuft vom Sonntag, 15., bis Samstag, 18. November, in Erlangen in den Lamm-Lichtspielen, So. um 16 Uhr, Mo., Di., Mi., um 18.30 Uhr.

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