Forchheim: Neues Leben in gestutzter Burker Linde

25.9.2018, 11:00 Uhr
Forchheim: Neues Leben in gestutzter Burker Linde

© Foto: Pauline Lindner

Dank eifrigen Wässerns besteht die reale Chance, dass der ortsbildprägende und die Ortsgeschichte dokumentierende Baum in einigen Jahren wieder eine Krone ausbildet. Der Ablauf der Aktion hatte im Stadtrat heftige Diskussionen ausgelöst. Nicht zuletzt die Miteigentümer Michael und Wolfgang Deinlein wehrten sich gegen die Fällaufforderung, die aus einem Gutachten eines Baumsachverständigen resultierte, während ein anderer die Linde als durchaus vital einstufte.

Lange Familiengeschichte

Das Motiv für die Haltung der Eigentümer liegt in der historischen Bedeutung des Baumes. In mehrfacher Hinsicht. Als erstes ist die familiengeschichtliche Bedeutung zu nennen, die aber zugleich ein Stück Ortsteilgeschichte verkörpert. Seit 1802 gibt es das heutige Gasthaus, unter dem Namen Georg Schellersche Gastwirtschaft seit 1847 in Familienbesitz.

Bis 1968 wurde für Sommerfeste und den Maientanz ein hölzernes Tanzpodest am Fuß des Baumes gezimmert. Überliefert ist, dass 1938 bei der Hochzeit des Wirts Josef Kainer mit Margareta Lindenberger die Musikkapelle "in der Linde" platziert war; ebenso beim damals beliebten Maientanz die Kapelle "Froh und heiter". Der angegebene Standort der Musiker machte Wolfgang Deinlein hellhörig. Er befasste sich intensiv mit dem Thema Tanzlinden und "geleitete" Linden. Im Kulmbacher Raum existieren sie so heute noch: Linden, deren Äste entgegen der normalen Wuchsrichtung ins Waagrechte gebogen sind, so dass darunter ein pergola-artiges Gestell passte, das vielfach noch eine zweite oder gar dritte Etage trug, auf deren Bohlen die jungen Leute tanzten. Eine solche Formung belegt ein Foto vom Baum aus dem Jahr 2011.

Deutlich erkennbar ist darauf, dass sich die Hauptäste in Stufen erst waagrecht und dann erst in die Höhe entwickelten. Ein altes Bild, etwa 1900 entstanden, zeigt sogar noch den künstlichen Unterbau.

Forchheim: Neues Leben in gestutzter Burker Linde

© Verlag Georg Scheller, Burk; Familienarchiv Deinlein-Kainer, Forchheim-Burk

Die "Leitung" des Baumwuchses muss aber bereits in der Jugend der Winterlinde begonnen haben, vor gut 300 bis 400 Jahren. Daraus lässt sich schließen, dass neben der Bebauung um die Kirche aus dem 15. Jahrhundert ein zweiter Ortskern am Schlehenbach existiert hat, womöglich durchgängig über die Jahrhunderte. Bis jetzt sind es nur einzelne Puzzleteile, die dafür sprechen.

Der älteste Hinweis ist in der Gründungsurkunde des Bistums Bamberg zu finden: Burk ist dort unter dem Namen "Sliersbach" aufgeführt (die "Schlieren" deuten auf den hier vorhandenen Lehmboden hin, "Schlehenbach" ist eine spätere Interpretation). Noch in die Gegenwart reicht dagegen der Brauch, dass in Burk zwei Kerwasbäume aufgestellt wurden: in Kirchnähe und beim Gasthaus Zur Linde.

Der dritte Fixpunkt ist das Ende des Dreißigjährigen Kriegs. Nach den Verheerungen durch die schwedische Soldateska, die auf der Alten Veste bei Fürth lagerte und plündernd und brandschatzend durchs südliche Bamberger Bistum zog, sind in Burk gerade mal noch fünf Häuser gestanden: zwei bei der Dreikönigs-Kirche, drei am Schlehenbach. Deinlein hält es für nicht unwahrscheinlich, dass die Linde, wie so viel "Friedens-Linden" damals, aus Anlass des Westfälischen Friedens (1648) gepflanzt wurde, als die schier entvölkerte hiesige Region begann, sich langsam von den Folgen des Krieges zu erholen.

Das Thema lässt Wolfgang Deinlein nicht mehr los. Er hat schon Erkundigungen bei Stadtarchivar Rainer Kestler und Dieter George vom Heimatverein eingezogen. Ein Besuch im Staatsarchiv Bamberg steht auf der Agenda. Das Urkataster von 1821 könnte eine "Leerstelle" füllen. Ab 1808 hat der bayerische König nämlich die alten Herrschaftsbereiche, aber auch die durch Napoleon hinzugewonnenen Landesteile, wie etwa das Erzbistum Bamberg mit Forchheim, kartografisch erfassen lassen.

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