Forchheim: "Null" erzählt von der Fülle des Lebens

27.5.2018, 12:00 Uhr
Forchheim:

© Foto: Artem Sahon

Ganz allein für sich ist die Null erst einmal nichts. Im Beisein anderer Zahlen aber kommt die Ziffer ganz groß heraus. Ähnlich empfindet es Johannes Molz, der sich auf der Bühne "Null" nennt.

Zu ihm als "Null" gesellt sich das Publikum, lässt sich auf die Musik ein. "Dadurch vermeide ich, im Elfenbeinturm vor mich hinzudichten." Die ersten Akkorde fielen in einer New Metal-Band vor zwanzig Jahren. Seither hat sich das Spektrum über Black Metal und Progressive Pop bis zu Indierock verbreitert.

Dabei betrieb der gebürtige Niederbayer die Musik als Gitarrist, Bassist und Sänger in mehreren Bands so intensiv, dass er sie beinahe auch studiert hätte. Erst ein schwerer Unfall, dem die Beweglichkeit eines Zeigefingers zum Opfer fiel, beendete vor elf Jahren alle hochfliegenden Blütenträume. Hoffnung schöpfte Molz aus dem Schicksal seines Vorbildes Django Reinhardt.

Der Begründer des Gipsy Swing hatte selbst einen verheerenden Brand überlebt und dabei mehrere Finger eingebüßt. Dennoch wurde er mit einer selbst erfundenen Spieltechnik zur Legende an der Gitarre. "Wer es nicht weiß, der wird meine Einschränkung kaum wahrnehmen."

Aus der Not machte der Junge aus Mitterfels eine Tugend und widmete sich fortan der englischen Literatur. "Um bessere Songtexte schreiben zu können." Nach siebzehn Jahren war mit englischsprachigen Liedern allerdings Schluss. "Ich konnte mich nicht mehr so recht begeistern."

Die Doktorarbeit über Shakespeare und wie man ihn im 19. Jahrhundert gelesen hat, "schwelt derzeit vor sich hin". So experimentierte er mit seiner Muttersprache, um herauszufinden, was das mit ihm und dem Lied macht: "Wenn ich englisch singe, hören die Leute einfach nur drüber." Im Deutschen hingegen gäben die Zuhörer auf jede Nuance acht: "Da muss ich ganz anders, viel konzentrierter schreiben, damit ein Liebeslied nicht in den Kitsch abgleitet." Das gelinge ihm immer leichter. Es entwickle sich organischere, zartere Musik. "Kein Vergleich zum Beginn meines Weges, als ich mit der E-Gitarre wuchtigere, härtere, aggressivere Töne anschlug."

Mehrere Standbeine

Heute lebt Molz nicht mehr im Bayerischen Wald, wo er "in einem Walddorf zwischen Bäumen sozialisiert wurde", sondern in Regensburg. Er hat sich neben der Solo-Karriere weitere Standbeine als Klangkomponist für Computerspiele, Musikproduzent und Unidozent erarbeitet. Seine Zeilen erzählen von der Fülle des Lebens und haben das depressive Moment von früher längst in den Hintergrund gedrängt: "Es ist wie eine Zen-Übung, die das Schöne zeigen will." Beileibe kein "Gute Laune-Tralala", sondern ein nüchtern-positiver Blick auf die Welt und die Menschen.

Neben Liedtexten schreibt Molz auch Romane, die mit der Musik korrespondieren: "Das war einerseits eine Überraschung für mich. Andererseits wundere ich mich, dass ich das nicht schon früher getan habe." Autobiographische Erlebnisse, die er in Bildern zu fassen sucht. In den Liedern geschieht es schlaglichtartig, verdichtet, auf den Punkt gebracht. In der Prosa wird das Detail auserzählt, schließen sich Lücken, erscheint ein Spannungsbogen.

Der Singer/Songwriter sieht sich in der Tradition der Liedermacher à la Rio Reiser oder Konstantin Wecker, die sehr viel Wert auf das Wort gelegt haben. Er spielt mit seiner Spezial-Bariton-Akustik-Gitarre Musik zwischen Pop und Avantgarde. "Ein Lied dauert nur wenige Minuten und wird nicht überfrachtet." Damit die Form nicht vom Inhalt ablenkt. "Das kommt vielleicht daher, dass ich aus dem Alternative Rock und der Modernen Klassik komme." Und dass er mit Tom Waits, Jethro Tull und Pink Floyd aufgewachsen ist.

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