Forchheim: Sanierung zerreißt das Rathaus

10.6.2018, 08:00 Uhr
Forchheim: Sanierung zerreißt das Rathaus

© Beke Maisch

Mit den Begriffen "positive Fehlerkultur" und "Risikokompetenz" beschreibt OB Kirschstein im Stadtanzeiger einerseits, wie er sich seine Amtsführung vorstellt. Auf der anderen Seite wirft er der Stadtratsmehrheit vor, "Verantwortungsverweigerung" zu betreiben.

Warum? Weil der Stadtrat es bei drei Anläufen nicht geschafft hat, die Neuausschreibung von Planungsleistungen zu beschließen (oder abzulehnen), obwohl für die Stadt nach den Worten Kirschsteins dabei ein großer Vorteil, aber null Risiko herausgekommen wäre. Beim ersten Mal wurde der Punkt im Stadtrat vertagt, beim zweiten Mal verließen so viele Räte den Saal, dass zur Abstimmung die erforderliche Mindestzahl fehlte, beim dritten Mal scheiterte der Punkt schon bei der Abstimmung über die Tagesordnung: Er wurde abgesetzt.

Körber wird berichten

Bei der nächsten Sitzung des Stadtrates am 28. Juni will nun Sebastian Körber (FDP) berichten, was er in den einschlägigen Akten der Stadtverwaltung zum Thema Generalsanierung des Rathauses gefunden hat. Mittlerweile brachte er 30 Stunden unter den Augen des OB, des Rechtsrates und einer Angestellten des Bauamtes damit zu, sich beim Durchblättern von Aktenordnern Notizen zu machen. Kopien oder Fotografien sind nicht erlaubt.

OB und Stadtratsmehrheit werfen sich gegenseitig vor, die Generalsanierung des wichtigsten städtischen Gebäudes unnötig zu verzögern. OB Kirschstein schreibt, vor seinem Amtsantritt im April 2016 sei "dem Stadtrat nie eine Beschlussvorlage zum Beginn des Projekts, zu den Zielen der Maßnahme, zu den voraussichtlichen Kosten oder gar zu einem Nutzungskonzept vorgelegt worden. Es hatte nie eine Beschlussvorlage zur Ausschreibung der Planungsleistungen, zur Vergabebetreuung oder auch den Vergaben selbst gegeben. Bei der Vergabe von Einzelleistungen über 200 000 Euro hätte dies zumindest im Finanzausschuss der Stadt beschlossen werden müssen. Nie war dem Stadtrat bis dahin ein Förder- oder Finanzierungskonzept vorgelegt worden. Noch nicht mal die Stadtkämmerei war beteiligt worden, so dass bis März 2016 ohne deren Kenntnis und ohne genehmigten Finanzhaushalt Aufträge in erheblichem Umfang an Firmen vergeben wurden."

Durch diese "Fehler der Vergangenheit" sei Zeit verloren gegangen, die wolle er nun "durch ein verkürztes Ausschreibungsverfahren wieder aufholen", so der OB.

Körber: "Das ist ein weiteres Störfeuer und Ablenkungsmanöver." Er zieht in Zweifel, ob der OB das Amtsblatt zu solchen Äußerungen überhaupt nutzen darf.

"Zerrüttetes Verhältnis"

Manfred Hümmer, Fraktionschef der Freien Wähler, sieht mit Kirschsteins Äußerungen jedenfalls den "bisherigen Höhepunkt eines zerrütteten Vertrauensverhältnisses" zum Stadtrat. Aus den Worten des OB spreche eine "offensichtliche Geringschätzung gegenüber einer großen Mehrheit des Stadtrates, aber auch gegenüber aktuellen und pensionierten Mitgliedern der Bauverwaltung und seinem Vorgänger". Hier meint Hümmer den Ex-Bauamtsleiter Gerhard Zedler und Alt-OB Franz Stumpf.

Im Stadtanzeiger erklärt der OB, seine Pflicht sei es gewesen, "das bis dahin (bis zu seiner Amtsübernahme, Anm. d. Red.) katastrophale Projektmanagement" neu aufzusatteln sowie "Fehler und Unterlassungen der Vergangenheit" nachzuarbeiten. Aus Fehlern müsse gelernt werden, so Kirschstein. Wenn aber "Angst vor Fehlern und mangelnde Risikokompetenz zusammenkommen, hören Menschen auf, Entscheidungen zu treffen. Dies mündet letztlich in einer Haltung der Verantwortungsverweigerung."

Reiner Büttner kann sehr gut verstehen, warum Oberbürgermeister Uwe Kirschstein auf die Stadtratsmehrheit sauer ist. Der Fraktionsvorsitzende der SPD teilt dessen Ansicht, was die Bewertung der Aktivitäten des Stadtrates und der Verwaltung in Sachen Generalsanierung des Rathauses angeht.

„Die erste Sanierung ist ohne große Beschlussfassung des Stadtrates angepackt worden“, so Büttner. Er meint die Zeit, als noch Alt-OB Franz Stumpf im Amt gewesen war. Weder die Ausschreibungen der Planungsleistungen seien vom Stadtrat beschlossen worden noch ein Nutzungskonzept. Erst Uwe Kirschstein habe mit der Zeit bemerkt, „dass da was nicht rund läuft“, so Büttner. Daraufhin habe er den Baustopp ausgesprochen (im Winter 2016/17) und dem Stadtrat ein Nutzungskonzept vorgelegt (im Sommer 2017).

Naturgemäß ganz anders betrachtet Ulrich Schürr die Angelegenheit, Sprecher der Jungen Bürger: „Der bisherige traurige Höhepunkt einer deplazierten und unnötigen Konfrontationspolitik durch den Oberbürgermeister.“ Den Stadtanzeiger als Forum zu nehmen sei „unwürdig, unangebracht und schadet der Sache“. Es sei „das Gegenteil des wünschenswerten offenen und transparenten Umgangs mit dem Thema der Rathaussanierung“.

Die Vorsitzende der FGL-Fraktion teilt die Haltung der OB-Kritiker. Annette Prechtel: „Anstatt zu moderieren, geht er weiter auf Konfrontation, sucht selbst in dieser zunehmend verfahrenen Situation nicht das Gespräch mit dem Stadtrat.“ Statt dessen, so Prechtel, „kanzelt er das gesamte Gremium schriftlich und öffentlich ab. Führungskompetenz, Konfliktmanagement und Deeskalation sehen anders aus.“

 

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