Forchheim: Schutt, Fäulnis und Taubenkot belasten Streitshaus

8.6.2019, 14:00 Uhr
Forchheim: Schutt, Fäulnis und Taubenkot belasten Streitshaus

© Philipp Rothenbacher

„Ich sehe die Medienvertreter bereits fleißig schreiben“, sagte Uwe Kirschstein (SPD) mit süffisantem Blick auf die fleißig notierenden Journalisten. Und der OB sah in der Sitzung des Finanzausschusses noch mehr, eine potenzielle Schlagzeile: „Das Gebäude ist nicht einsturzgefährdet – dass das schon für Erleichterung sorgt, zeigt die Brisanz des Ganzen.“ Mit diesem „Ganzen“ meinte Kirschstein den Zustand der städtischen Liegenschaften. Und nein, es ging diesmal nicht um den historischen Streitfall „historisches Rathaus“. Fast nicht.

Denn: Integraler Bestandteil des Rathaus-Ensembles (als das Postkartenmotiv Forchheims), sind das Streits- und Frechshaus, unmittelbar neben dem Magistratsbau. Zwei zusammenhängende Fachwerk-Schmuckstücke. Und beide haben einen schweren Dachschaden.

Anders lässt sich kaum zusammenfassen, was Hochbauamts-Chefin Sigrun Wagner den Räten schilderte. Bereits im Februar wurde ihnen mitgeteilt, dass hier Handlungsbedarf bestehe, insbesondere am Dachstuhl. 350.000 Euro wurden dafür im Haushalt eingestellt. Wie dringend diese Maßnahmen aber wirklich sind, das wurde erst jetzt allen richtig klar: Ziegelschutt fällt in die Dachrinnen, die Fassade bröckelt (und wurde vor Beginn des letzten Weihnachtsmarktes notdürftig gesichert), an der Traufe dringt Feuchtigkeit ein. „Das ist ziemlich fatal“, meinte Wagner. „Es hat sich drinnen ein Pilz gebildet, der zwar nicht für Menschen, aber fürs Holz schädlich ist.“ Die Folge: Fäulnis.

"Sehr, sehr bedenkliche Werte"

Nicht weniger fatal, erklärte die Amtsleiterin, seien die Tauben. „Sie haben sich da oben eingenistet und durch den vielen Taubenkot ist der Dachstuhl kontaminiert.“ Messungen hätten „sehr, sehr bedenkliche Werte ergeben“. Seit Dezember 2018 ist das oberste Obergeschoss komplett abgesperrt – und darunter geht die Arbeit im Einwohnermelde- und Standesamt weiter.

Weil die Büronutzung fortgeführt werden soll, müsse es schnell gehen, so Wagner: In ein bis zwei Wochen sollen die Gebäude eingerüstet werden. Ende Juni dann rücken die Liquidatoren an, um Schutt, Schimmel und Taubenkot zu entfernen. Zum Schutz der Angestellten geschieht das nicht übers Treppenhaus, sondern durch zwei Löcher (beziehungsweise Öffnungen), die man auf der rückwärtigen, gen Martinskirche neigenden Seite, ins Dach schlägt.

Mitte Juli sollen schließlich Statiker und Zimmerer ans Werk, um Dach und Holztragwerke zu reparieren. „Wir planen, das Gerüst Anfang November wieder abzubauen“, sagte Wagner. Ein straffer Zeitplan, der auch einem touristischen Umstand geschuldet ist: Sollte die Sanierung und damit Einrüstung des Rathauses tatsächlich in diesem Jahr beginnen, müsste der mutmaßlich „schönste Adventskalender der Welt“ umziehen – nach Willen der Verwaltung eben ins benachbarte Streitshaus.

Dass die Fenster des Streits- und Frechshauses spätestens ab dem Weihnachtsmarkt 2020 zum Adventskalender umfunktioniert und es wegen der Rathaussanierung „auch einige Jahre bleiben werden“, ist für Wagner ziemlich wahrscheinlich. Auch Kirschstein hält den Umzug des Kalenders ins Nachbargebäude, wenn die Rathaussanierung denn einmal startet, für „die pfiffigste Lösung“.

 

Dafür gab das Gremium zwar seine Zustimmung. Doch zuvor ergriff Paul Nerb (FBF) das Wort: „Der Vortrag von Frau Wagner klingt, als wäre man überrascht, dass der Dachstuhl so versifft ist“, meint er – und fragte: „Gibt es denn keine regelmäßigen Begehungen, damit es gar nicht erst zu solchen Schäden kommt?“ Reinhold Otzelberger (CSU) war „etwas fassungslos“, dass „anscheinend über Jahre hinweg“ nichts bemerkt wurde. „Und die jetzigen Maßnahmen sind ja wieder nur behelfsmäßig.“
Er stellte in den Raum, ob bei „einem so markanten Gebäude der Stadt“ das Dach nicht komplett neu eingedeckt und grundlegend saniert gehöre – „auch, wenn man dafür Geld in die Hand nehmen muss“.

Kirschstein erwiderte, dass sich die Verwaltung verstärkt bemühe, solche Entwicklungen bei städtischen Gebäuden „abzustellen“. Gleichwohl verwies der OB auf den knappen Personalstand im Geschäftsbereich Bauunterhalt. Sigrun Wagner betonte wiederum: „Das ist keine Generalsanierung, sondern eine sanierungsvorbereitende Sofortmaßnahme.“

Sie und Kirschstein waren sich einig, dass die Stadt eine Generalsanierung der beiden Gebäudedenkmäler zum jetzigen Zeitpunkt (und mit Blick auf die vielen, teils noch dringlicheren Sanierungsprojekte) nicht stemmen könnte. Wenn man dieses Fass aufmache, so Wagner, „würde ich die Kosten einer Generalsanierung des Streits- und Frechhauses auf vier bis sechs Millionen Euro schätzen“.

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