Forchheim: Verteidigerin bringt die Richterin in Rage

1.7.2017, 14:01 Uhr
Die Leiterin eines ambulanten Pflegedienstes aus dem Landkreis Forchheim muss sich wegen vorsätzlicher Körperverletzung vor Gericht verantworten.

© Huber Die Leiterin eines ambulanten Pflegedienstes aus dem Landkreis Forchheim muss sich wegen vorsätzlicher Körperverletzung vor Gericht verantworten.

Das lag an vielen Nebenkriegsschauplätzen, auf denen die Verteidigung nach Motiven und Indizien dafür suchte, dass die Zeugen sich die ganze Geschichte ausgedacht hatten.

Bereits nach den ersten Sätzen der Angeklagten war jedem Zuhörer im Sitzungssaal 1 klar, dass die angesetzten eineinhalb Stunden für den Prozess nicht reichen würden. In der Folge äußerte sich die Angeklagte, schilderte die Vorgeschichte aus ihrer Sicht, bestritt aber jeden Tatvorwurf. Vielmehr erweckte sie den Eindruck, es habe sich um ein gezieltes Komplott der Mutter des verletzten Kindes und einiger früherer Mitarbeiterinnen gehandelt, die um ihren Arbeitsplatz gebangt hätten.

Die Mutter des mutmaßlichen Opfers habe von dem Pflegegeld und den Leistungen für die Haushaltshilfe für die drei schwer und schwerst pflegebedürftigen Kinder 3000 Euro im Monat abhaben wollen, obwohl sie sich nicht um den Nachwuchs gekümmert habe. Dann habe sie eine Verwandte bei dem Pflegedienst einschleusen und Einfluss auf die Dienstpläne und die Pflegedokumentation haben wollen.

Gegen das Kinn geschlagen

Als sich die Angeklagte geweigert habe, hätte ihr die Mutter gedroht: "Du wirst schon sehen, was du davon hast." Inzwischen werde gegen die Leiterin des ambulanten Pflegedienstes auch wegen des Verdachtes des Abrechnungsbetruges ermittelt. Vor dem Amtsgericht Forchheim drehte sich aber alles um den Vorwurf, die Altenpflegerin habe im Sommer 2016 ein 14-jähriges Mädchen, das ihrer Obhut anvertraut war, in zwei Fällen mit dem Handballen von unten gegen das Kinn geschlagen, damit diese "die Fresse halte".

Dabei habe sich das im Bett gelagerte Kind so stark in die Zunge gebissen, dass die nachfolgende Pflegekraft über das viele Blut und die Schmerzen des Opfers klagte. Dabei habe sie davon gesprochen, das Mädchen sei "vom Teufel besessen" und müsse erzogen werden. Das bestätigten zwei ehemalige Mitarbeiterinnen der Angeklagten, die sie beim Rund-um-die-Uhr-Dienst abgelöst hatten, obwohl Rechtsanwältin Annette Voges (Hamburg) stundenlang nachbohrte, bis selbst der Anklagevertreter genervt rief: "Sie können natürlich auch so lange fragen, bis die Antwort kommt, die Sie gerne hören wollen."

"Kein Krampfanfall"

Von der Erklärung, es habe sich um einen speziellen Handgriff bei epileptischen Anfällen gehandelt, wollte keine der Fachfrauen etwas wissen. "Es gab keinen Krampfanfall. Es war ein Schlag." Überhaupt machte sich die Verteidigerin an diesem Vormittag auf allen Seiten unbeliebt. Sie ließ kaum jemanden aussprechen, fiel mit ständigen Nachfragen ins Wort, und meinte die Strafrichterin Silke Schneider mehrfach zur Strafprozessordnung und zur Protokollführung belehren zu müssen.

Als die Rechtsanwältin, die stets forderte "auf den Punkt" zu kommen, selbst aber weitschweifige Befragungen durchführte, dann auch noch die richterliche Unabhängigkeit in Frage stellte und Staatsanwalt Daniel Heppt (Bamberg) nahelegte, doch mal einen Lehrgang zu belegen, wie man die Glaubwürdigkeit von Zeugen testet, platzte selbst der bis dahin engelsgeduldigen Strafrichterin Schneider der Kragen: "Sie können gerne auf meinen Stuhl. Ich mache das hier, wie ich es für richtig halte." Wie sie das weitermacht, ist am Donnerstag 20. Juli um 9 Uhr zu sehen. Dann stehen acht weitere Zeugen auf der Liste, außerdem die Plädoyers und vielleicht sogar das Urteil.