Forchheim: Vorsichtsmaßnahmen für den Brexit treffen

19.1.2019, 08:00 Uhr
Forchheim: Vorsichtsmaßnahmen für den Brexit treffen

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Forchheim: Vorsichtsmaßnahmen für den Brexit treffen

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"Das Thema Brexit kann ich nicht mehr hören", sagt die Britin Rosemary Kessler, die seit 37 Jahren in Forchheim lebt. Seit die Briten für den Brexit stimmten, würden englische Comedians das Thema laufend aufgreifen. "Lustig ist das aber nicht mehr, es macht mich einfach nur noch traurig."

Die Kunstmalerin kann nicht verstehen, warum das britische Unterhaus den Brexit-Deal zwischen der englischen Regierung und der EU abgelehnt hat. So schwer könne es doch nicht sein, eine Einigung zu erzielen. "Wie es jetzt ist, ist es ja auch nicht besser, keiner weiß, wie es weitergehen soll", sagt Kessler. Egal, wie sehr sich Premierministerin Theresa May bemühe, es scheine so, als seien alle gegen eine Einigung.

Als Vorsichtsmaßnahme möchte Rosemary Kessler nun die doppelte Staatsbürgerschaft beantragen. Ihr Ehemann ist Deutscher, sie fühlt sich selbst mehr deutsch als englisch. "Ich lebe schon so lange in Forchheim, wir haben hier zwei Kinder großgezogen", sagt sie. Sie hatte sich bei der Abstimmung im Sommer 2016 gewünscht, dass die Briten gegen den Brexit stimmen. "Ich sehe mich als Europäerin und glaube, dass wir zusammen besser dran sind."

98 Briten im Landkreis

In Forchheim leben 20 Menschen mit britischem Pass und 20 Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft, von denen eine britisch ist. Im gesamten Landkreis Forchheim leben 98 Briten.

"Das Landratsamt erhält zuletzt vermehrt Anfragen von Bürgern, die eine britisch-deutsche Staatsbürgerschaft annehmen wollen", sagt Holger Strehl, Pressesprecher des Landratsamtes. Viele Briten wollten EU-Mitglied bleiben und für den Fall des harten Brexit ohne Vertrag und Übergangsregeln, der am 29. März ansteht, vorbereitet sein. Bis zu diesem Stichtag kann die doppelte Staatsbürgerschaft beantragt werden.

"Vom Brexit betroffene Unternehmen müssen sich auf einschneidende Veränderungen gefasst machen", erklärt Sonja Weigand, Präsidentin der Industrie- und Handelskammer für Oberfranken in Bayreuth. Besonders kritisch für Firmen seien das Ende des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs sowie die Einführung von Zöllen.

Aber der Brexit betreffe auch Lieferketten, die Entsendung von Mitarbeitern, Lieferverzögerungen, die Umsatzsteuer, Preiskalkulation sowie Normen und Standards. Ab dem 29. März würden bis auf weiteres die Bestimmungen der Welthandelsorganisationen gelten. Laut einer Studie im Auftrag der IHK würde ein harter Brexit die Wirtschaftsleistung Bayerns langfristig um etwa 1,4 Milliarden Euro pro Jahr schmälern. "Unternehmen können Einschnitte aber mit einer guten Vorbereitung minimieren", glaubt Weigand.

Erste Vorboten

Der Schokoladenhersteller Piasten aus Forchheim macht sich für die Veränderungen bereit. "Erste Vorboten zeigen sich, wir sind mit rechtlichen Änderungen beschäftigt", sagt Bertram Strothmann, Geschäftsführer des Schokoherstellers. Bislang steht zum Beispiel auf Piasten-Verpackungen in England die deutsche Firmenadresse. Wenn Großbritannien kein EU-Land mehr ist, muss aber eine britische Adresse angegeben sein.

Ein großes Fragezeichen

Die Umsätze in England machen bei Piasten zwei bis vier Prozent des Jahresvolumens aus. "Andere Märkte sind für uns größer und wichtiger, aber England beliefern wir seit mehr als 20 Jahren und das Weihnachtsgeschäft ist stark. Diese Umsätze verliert man ungern", sagt Strothmann. Am meisten exportiert Piasten nach Italien und Rumänien.

"Wie es mit dem Markt in England weitergeht, da herrscht bei uns momentan ein großes Fragezeichen", so Strothmann. Bei einer veränderten Verzollung könnte die Ware so teuer werden, dass sie aus bestimmten Preisrastern herausfällt und von den Engländern schlicht nicht mehr gekauft wird.

Wenn die Zollabwicklung an der Grenze komplizierter wird und länger dauert, treibe das auch die Transportkosten in die Höhe. Trotzdem denkt Strothmann positiv und hofft, dass es eine vertragliche Einigung geben wird. "Und Brexit hin oder her: Süßigkeiten werden die Briten auch weiterhin gerne essen."

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