Forchheim: Würden Sie den Einbürgerungstest bestehen?

30.5.2018, 06:00 Uhr
Forchheim: Würden Sie den Einbürgerungstest bestehen?

© Nicolas Armer/dpa

Zum Beispiel auf diese Frage: Wer kann Gerichtsschöffe in Deutschland werden? Vier Antwortmöglichkeiten stehen zur Auswahl. A: Alle in Deutschland geborenen Einwohner über 18 Jahre. B: Alle deutschen Staatsangehörigen älter als 24 und jünger als 70 Jahre. C: Alle Personen, die seit mindestens fünf Jahren in Deutschland leben. Oder D: Nur Personen mit einem abgeschlossenen Jurastudium. Wer hätte gewusst, dass Antwort B richtig ist?

Das ist eine von 330 Fragen, die beim Einbürgerungstest gestellt werden können. Gerade erst wurde wieder eine Prüfung in den Räumen der Volkshochschule (VHS) in Forchheim absolviert. Die VHS ist im Landkreis die einzige Einrichtung, die solche Tests abhält. Dafür musste sie sich beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) zertifizieren lassen.

Mehr als verdreifacht

Die Zahl der Einbürgerungen nehmen in Bayern zu. Allein im vergangenen Jahr waren es 15.638 Menschen – 8,6 Prozent mehr als im Vorjahr. Besonders auffällig: Die Zahl der britischen Staatsangehörigen, die 2017 deutsche Staatsbürger wurden, hat sich im Vergleich zum Vorjahr sogar mehr als verdreifacht – der „Brexit“ lässt grüßen.

Die Teilnehmer bekommen aber nicht alle denselben Test vorgelegt: 33 Fragen werden jeweils per Zufallsprinzip aus einem Katalog ausgewählt — 30 aus 300 allgemeinen und drei aus 30, die sich auf Bayern beziehen. „Die Prüflinge sollen nachweisen, dass sie auch das Bundesland kennen, in dem sie leben“, sagt Silvia Bessler, die bei der VHS für den Bereich Sprache und Integration zuständig ist.

Maximal 60 Minuten sind für die Beantwortung der 33 Fragen vorgesehen. „Manche sind schon nach fünf bis zehn Minuten fertig, andere lassen sich mehr Zeit“, so Bessler. Der Test sei kein Hexenwerk, sondern machbar, findet sie. Nur eine junge Frau sei einmal durchgefallen – weil sie sich nicht ausführlich vorbereitet hatte.

„Viermal im Jahr bieten wir den Test an“, sagt Bessler. Meist stellen sich rund zehn Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Fragen. Das Verfahren ist aber überall gleich und die Einbürgerungskandidaten sind nicht verpflichtet, die Prüfung am Wohnort zu machen.

Auch die Schweizer schwitzen

„Meist sind es Menschen, die schon lange hier leben und sich jetzt die Einbürgerung wünschen“, so Bessler. Früher seien es häufig Türken oder Osteuropäer gewesen, heute sind es viele verschiedene Nationalitäten, zum Beispiel Schweizer, Engländer oder Südafrikaner. „Für viele ist ausschlaggebend, dass sie Deutschland politisch mitgestalten wollen“, sagt sie.

Denn Bürger, die keinen deutschen Pass besitzen, dürfen nicht wählen – auch wenn sie hier leben, arbeiten und Steuern zahlen. EU-Bürger dürfen nur bei Kommunalwahlen mitentscheiden. Noch eine weitere Gruppe absolviert diesen Test: Flüchtlinge sollen in Orientierungskursen nicht nur die deutsche Sprache erlernen, sondern auch das politische System und die Lebensverhältnisse in Deutschland kennenlernen. Dabei kommen überraschende Ansichten zutage.

„Früher kamen deutlich mehr Menschen zum Einbürgerungstest – als ihn Flüchtlinge zusätzlich zu ihrem Test im Orientierungskurs absolvieren mussten“, erläutert Bessler. Inzwischen wurden der Einbürgerungstest und der Test „Leben in Deutschland“ angeglichen, der am Ende der Orientierungskurse stattfindet.

Nach der Prüfung werden die Unterlagen an das Bamf geschickt, das sie auswertet. Wer weniger als 17 Fragen richtig beantwortet, ist durchgefallen. Der Test kann wiederholt werden – dann fallen erneut 25 Euro Teilnahmegebühr an. Im Internet oder mit der App „Leben in Deutschland“ lassen sich die Fragen einüben.

Liest man sich den Fragenkatalog durch, kommen einem Zweifel, ob jeder Einheimische wüsste, wie der deutsche Staat die Sozialversicherung finanziert, welches Gericht für die Auslegung des Grundgesetzes zuständig ist oder inwiefern ein Regierungswechsel im Bundesland Auswirkungen auf die Bundespolitik hat (durch Sozialabgaben; das Verfassungsgericht; das Regieren wird schwieriger, weil sich die Mehrheit im Bundesrat ändert). „Manche Fragen sind wirklich schwer, die könnten auch Einheimische nicht auf Anhieb beantworten“, sagt Tatjana Stöckel aus Hiltpoltstein, die seit fünf Jahren Migranten in Orientierungskursen auf den Test vorbereitet.

Vor allem die Sprache sei eine Hürde für ihre Teilnehmer, da politische und Alltagssprache so unterschiedlich seien. Begriffe wie Bruttoinlandsprodukt oder Inflation seien schwer zu verstehen beziehungsweise verständlich zu erklären. Hinzu kommen andere sprachliche Eigenarten wie Polyseme, also mehrdeutige Wörter. Stöckel erläutert das an einem Beispiel: „Versuchen Sie mal, Migranten zu erklären, warum wir ,Gesetz verabschieden’ sagen. Sie fragen dann: So wie ,tschüss’ sagen?“

Reiche Automechaniker

Im Kurs gehe es zunächst darum, etwas über das Leben in Deutschland zu erfahren. „Die meisten haben kaum Kontakt zu Einheimischen, kennen nur das Jobcenter und das Ausländeramt“, so Stöckel. Einmal fragte sie im Kurs, wie viel eine Verkäuferin oder ein Automechaniker wohl in Deutschland im Monat verdienen. Ein Syrer antwortete: acht- bis zehntausend Euro. „Das hat mich sprachlos gemacht“, erinnert sie sich.

20 Tage lang beschäftigen sich ihre Schüler fünf Stunden pro Tag mit den drei Modulen: Politik und Demokratie, Geschichte und Verantwortung, Mensch und Gesellschaft. „Der Test selbst ist eine Formalität. Es geht nur darum, zu bestehen. Den Teilnehmenden bleibt eigentlich nur Auswendiglernen, im Kurs und zu Hause“, sagt sie.

Wenn die Prüflinge ihre Ergebnisse bekommen, freut sich Tatjana Stöckel mit. Kürzlich hat ein Syrer alle 33 Fragen richtig beantwortet. „Er war richtig stolz und hat sich unendlich gefreut. Es war so schön zu sehen, dass sich sein Fleiß ausgezahlt hat.“

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