Forchheimer Land als Schatzgrube der Tracht

23.9.2017, 08:00 Uhr
Forchheimer Land als Schatzgrube der Tracht

© Foto: Udo Güldner

Nichts lenkt den Blick des Betrachters ab. Keine idyllische Landschaft, keine filigrane Architektur, keine Posen. Es sind sehr nüchterne, aber umso eindrücklichere Fotografien, die in den letzten vier Jahren alle in einem Erlanger Fotostudio entstanden sind. Zu sehen sind keine Models, sondern "echte" Menschen wie Hermann Vortmann (Heroldsbach), Julia Heilmann (Hausen) oder Erwin Heid (Neunkirchen) in ihren eigenen Trachten.

"Da ist das Forchheimer Land eine wahre Schatzgrube, ein Zentrum der Traditionspflege und der Erneuerung der Tracht." Wie bei der Punk-Tracht Sandra-Janine Müllers, die überlieferte Schnitte und Muster mit modernen Stoffen kombiniert. "Das ist grandios und genial." Und von einer "Sowas darf man nicht machen-Trachtenpolizei" hält Walther Appelt sowieso nichts. "Die Tracht steckt doch nicht in einer Zeitblase, sondern verändert sich ständig."

Mit einem Blick konnte der kundige Betrachter sehen, woran er bei dem Mann, der Frau oder dem Kind war. Stand man einem katholischen oder evangelischen Gläubigen gegenüber? War die Person ledig, verheiratet oder verwitwet? An Beispielen zeigt sich ein textiler Code, der gedecktere Farben als protestantische Eigenheit ausweist, der rote Hörnertücher unverheirateten und weiße Kopfbedeckungen verehelichten Frauen zuordnet, der am vollkommenen Schwarz der "Volltrauer", und an einigen Farbtupfern der "Abtrauer" sieht, wie lange der Ehemann schon tot ist.

Für jeden Anlass gab es das richtige Kleidungsstück. "Für den Wochentag eine einfache Tracht, für Fest- und Feiertage etwas Prächtigeres wie bei Helga Nickel aus Hausen." Etwa die Tanztracht, die naturgemäß durch praktische Rockkürze das Herumwirbeln nicht behinderte.

Dabei hat jedes einzelne Stück seine eigene Geschichte. In einer Zeit, als es noch keine Kleidung "von der Stange" gab. "Deshalb sind historische Trachten auch keine Uniformen, denn keine gleicht der anderen." Wer über das nötige Kleingeld verfügte, zu dem kam der übers Land ziehende Schneider, um etwas anzufertigen. Vielleicht sogar aus teurem Hirsch- oder günstigerem Ziegenleder. Die anderen griffen selbst zur Nadel. So kommt es, dass jede Tracht ein einmaliges Stück ist.

Walther Appelt hat aber nicht nur den Auslöser seiner Kamera gedrückt. Er hat sich seit zehn Jahren geradezu wissenschaftlich mit den Textilien und Accessoires befasst. "Weil meine Oma in Wimmelbach ihr Lebtag in Tracht herumlief." Folgerichtig sind auch seine Frau Kerstin und seine beiden Söhne Maximilian und Leonhardt in Burschentracht mit Samtkappe in der Ausstellung zu sehen.

Am nachhaltigsten jedoch hat das französische Militär auf seinen Durchzügen durch die fränkischen Gebiete unter Napoleon die Trachtenmode geprägt, wie man an Sebastian Ammon (Hausen) sehen kann. "Die Soldaten waren ja auf den Bauernhöfen einquartiert und sahen ständig Dreispitz, farbige Westen, lange Gehröcke und rote Tücher."

Doch schon bald gerieten die historischen Gewänder durch Landflucht, Verstädterung und Industrialisierung ins Hintertreffen. Im Straßenbild spielen sie keine Rolle mehr. Dafür in den beeindruckenden fotografischen Kunstwerken Walther Appelts.

Die Sonderausstellung "Oberfranken beTRACHTet" ist noch bis zum 31. Oktober täglich, außer montags, von 10 bis 17 Uhr im Pfalzmuseum zu sehen.

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