Fußball mit Ali Daei und Flucht nach Ebermannstadt

23.2.2017, 10:30 Uhr
Fußball mit Ali Daei und Flucht nach Ebermannstadt

© Kevin Gudd

Ali Mohammadi lächelt oft in diesen eineinhalb Stunden im Abteilungsbüro des TSV Ebermannstadt, obwohl er dadurch das Training der ersten Mannschaft auf dem Platz verpasst. "Ich will am liebsten jeden Tag herkommen", erklärt der 43-Jährige.

Der Fußball erinnert ihn an seine Heimat, wo er es gar zum iranischen Junioren-Nationaltorhüter brachte und mit späteren Bundesligaprofis wie Ali Daei, Karim Bagheri, Vahid Hasehmian oder Ali Karimi zusammenspielte. In der Hauptstadt Teheran entdeckten sie ihn für den Rekordmeister Persepolis, der seine Heimspiele im riesigen Azadi-Stadion mit einer Kapazität von rund 100 000 Zuschauerplätzen austrägt. Als Kind verkleidete sich die 14 Jahre alte Tochter Melika als Junge, um eingelassen zu werden. Mohammadi studierte Jura, lernte an der Uni seine Frau kennen und arbeitete nach der Karriere als Rechtsberater einer Behörde, ehe sich die gesicherten Verhältnisse änderten.

Fußball mit Ali Daei und Flucht nach Ebermannstadt

© privat

Über einen Professor sei er mit der christlichen Religion in Berührung gekommen, habe sich mit den Unterschieden zwischen Koran und Bibel auseinandergesetzt, im Internet recherchiert. "Die Leute wollen nicht zu viel Fragen warum", berichtet Mohammadi, dem nicht nur das Verhüllungsgebot für Frauen missfällt. Die Islamische Staatsreligion duldet keine Konvertiten, nach einem Gefängnisaufenthalt drohten erhebliche Repressalien. Im Sommer 2014 floh die mittlerweile vierköpfige Familie. Per Flug ging es über die Türkei ins slowenische Ljubiljana und mit dem Zug weiter nach Berlin. Von der Aufnahmeeinrichtung in Zirndorf folgte die Verteilung auf eine Unterkunft in Ebermannstadt.

Die neue Existenz ist seit Januar nach fast zweieinhalb Jahren der Ungewissheit gesichert, der Asylantrag anerkannt. Eine große Hilfe war, betont Mohammadi, ein persisch sprechender Anwalt aus Frankfurt, aber vor allem die Gastfreundlichkeit in der Kleinstadt. Die Mohammadis zeigen sich in der Kirchengemeinde, gerne wäre Ali in einer gemischten Staffel des Rotary-Clubs beim Fränkische-Schweiz-Marathon 2016 gestartet, doch stressbedingte Herzprobleme bremsten ihn aus. Der siebenjährige Sohnemann kickt derweil mit Begeisterung in der G-Jugend und "redet im Schlaf deutsch", verrät Schwester Melika, die turnt und Volleyball spielt.

Einer der ersten Kontakte vermittelte den Neuankömmling als Hospitant in der Buchhaltung an eine Forchheimer Kanzlei. Eine Ausbildung blieb dem Iraner aufgrund seines offenen Status jedoch ebenso verwehrt wie die Anerkennung seines Studienabschlusses. Erst wenn er die erforderlichen Deutsch-Kenntnisse nachweist, könnte er neu anfangen. Derzeit besucht er einen Fortgeschrittenen-Kurs, um die höchste Stufe des Fremdsprachen-Zertifikats zu erreichen. Dafür hat die Ehefrau, der im Iran nur ein Semester zur vollwertigen Juristin gefehlt hatte, eine Beschäftigung in der Altenpflege gefunden.

Ali Mohammadi profitierte indes von seiner sportlichen Laufbahn, durfte sich als Torwartbetreuer beim ATSV Forchheim vorstellen und wurde schließlich seinem Nachbarn in Ebermannstadt empfohlen. Ex-Keeper Roland Beck, Trainer beim Kreisklassen-Aufstiegsaspiranten, holte den 43-Jährigen zur Saison 2016/17 fest ins Boot. Seitdem werden zusätzliche Torwarteinheiten bei den B-Junioren und für Kinder angeboten. Jugendleiter Franz Bezold sagt: "Er ist ein Glücksfall und eine absolute Bereicherung für den Verein. Die gesamte Familie hat sich in Rekordzeit eingelebt und zeigt sich in der evangelischen Gemeinde."

Die positive Bestätigung, das Gefühl, gebraucht zu werden, hat die schwierige private Situation für Mohammadi erträglicher gemacht.  "Es macht mich stolz, dem Verein, dem Land und den Leuten, die so schnell meine Freunde geworden sind, etwas zurückzugeben." Besondere Freude bereite die Arbeit mit der Jugend. "Sie denken nicht so viel nach wie Erwachsene und helfen mir sofort mit der Sprache." Mohammadis Augen glänzen. Ja, er denke dabei natürlich an die Zeit in seiner Heimat zurück.

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