Genscher: Ein Liberaler trägt auch rote Krawatten

21.11.2014, 17:53 Uhr
Genscher: Ein Liberaler trägt auch rote Krawatten

© Foto: Roland Huber

Um Antworten verlegen ist Hans-Dietrich Genscher im Allgemeinen nicht – auch nicht an diesem Abend in Heroldsbach. Und doch wendet er sich bei der letzten Frage von Moderator Frank Ebert hilfesuchend an seine Frau, die am Rande der ersten Reihe im Publikum sitzt. Doch auch die weiß es nicht. Was der Moderator gefragt hatte: „Wie viele gelbe Pullunder haben Sie eigentlich?“

Architekt der Einheit

Gelbe Pullunder sind das Markenzeichen von Hans-Dietrich Genscher, dem früheren deutschen Außenminister, der als Architekt der Deutschen Einheit gilt. Die Farbe der Kleidungsstücke ist wenig überraschend: Genscher ist FDP-Mann, einer der wenigen Liberalen, von dem Politiker aller Couleur mit Hochachtung sprechen.

Auch in der voll besetzten Hirtenbachhalle, in die die Sparkasse Forchheim eingeladen hat, trägt der 87-Jährige einen gelben Pullunder unter dem Sakko. Mit Moderator Ebert – beide sitzen sich in Sesseln gegenüber – spricht Genscher knapp eine Stunde lang über den Weg zu Mauerfall und Wiedervereinigung und die aktuellen Konflikte mit Russland. Zwei große Leinwände links und rechts der Bühne übertragen das Gespräch.

In Gefahr geraten

Als die Rede auf den Ukraine-Konflikt kommt, ist Genscher die Besorgnis anzumerken. Besorgnis, dass vieles, was an Verständigung unmittelbar nach dem Mauerfall aufgebaut wurde, in Gefahr geraten ist.

Doch auch an heiteren Momenten fehlt es nicht, etwa als Genscher eine Anekdote erzählt: Vor eineinhalb Jahren sei in seinem Haus in der Nähe von Bonn eingebrochen worden. Zur Beute gehörte auch der Füllfederhalter, mit dem er den Zwei-plus-Vier-Vertrag unterzeichnet hatte, der die Wiedervereinigung Deutschlands besiegelte. Kurze Zeit nach dem Einbruch landete ein anonymes Päckchen bei der Polizei. Darin: der Füllfederhalter. „Ein Dieb ist ein Dieb“, lacht Genscher, „in diesem Fall war es aber ein patriotischer Dieb. Der hat wohl gedacht, das kann ich dem Mann nicht antun.“

Zum Abschied überreicht der Sparkassen-Vorstandsvorsitzende Ewald Maier Genscher einen Bildband mit Luftaufnahmen des Landkreises – damit der Vielflieger die Fotos mit der Realität abgleichen kann.

Zweites Präsent

Zweites Präsent: eine der roten Krawatte, die die Sparkasse eigens für ihr 175. Jubiläum herstellen ließ. „Die Krawatte ist leider Rot und nicht Gelb“, sagt Maier. „Aber Sie sind ja liberal.“

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