Gitarre und Kontrabass im tänzerischen Duett

1.10.2012, 18:06 Uhr
Gitarre und Kontrabass im tänzerischen Duett

© Udo Güldner

„Auf einer klassischen Gitarre kann man so ein Repertoire gar nicht spielen. Mein unzivilisiertes Spiel hält diese gar nicht aus.“ Stefan Grasse hat deshalb auch seine Flamenco-Gitarre mitgebracht, auf der die Töne schneller entstehen, etwas silbriger klingen, aber auch nicht so lange aushalten. Mit seinem Kollegen Tobias Kalisch lotet er die dynamischen Möglichkeiten in einem aufregenden Katz-und-Maus-Spiel aus.

Bass auch tonangebend

Sind die Rollen zu Beginn noch klar verteilt, so verlässt Tobias Kalisch im Laufe des Konzertes mehr und mehr den Part des Begleiters, um selbst den Ton anzugeben. Unglaublich, welch zarte Töne einem so großen Instrument entlockt werden können. Was angesichts des anspruchsvollen Repertoires voller technischer Finessen und rhythmischer Präzision kein ganz leichtes Unterfangen darstellt. Dabei gelingen den beiden Musikern ungemein transparente Instrumentierungen, die zwischen lateinamerikanischer Leidenschaft und kammermusikalischer Verletzlichkeit oszillieren.

Traditionelle Gattungen wie der karibische Son oder die volksliedhafte Solea vereinen afrikanische Rhythmen und die schwer zu intonierenden Melismen. Dabei werden mehrere Töne auf einer Silbe gespielt. Wild und ungestüm, und doch von kontrollierter, subkutaner Spannung. Dabei kommt das tänzerische Moment, das allen Kompositionen eigen ist, nicht zu kurz. Auch weil die Finger Stefan Grasses und Tobias Kalischs über die Saiten springen. Auch und gerade beim brasilianischen Bossa Nova, dem die Lebensfreude regelrecht eingeimpft scheint, aber auch eine Spur Einsamkeit. Dabei spielt Stefan Grasse die Saiten viel flacher an, um das schnellere Tempo zu erreichen.

Besondere Anforderungen

Der kubanisch inspirierte Bolero hingegen erfordert einen weicheren Anschlag, den das Duo mit mustergültiger Zärtlichkeit zu spielen weiß. Hohe technische Anforderungen stellt der Flamenco mit seiner knackigen und perlenden Stimmung. Stefan Grasses Apoyando-Zupfen, eine in lateinamerikanischer Musik übliche Technik, lässt den typisch herb-strohigen Klang entstehen. Dabei wird die Saite durchgedrückt, bis der Finger auf die nächste Saite fällt.

Das französische Element verkörpert die Valse Musette, das argentinische der Tango, wie ihn Astor Piazzolla wiederbelebt hat. Typisch auch das Golpe, die percussive Nutzung des Instruments, indem mit der ganzen Hand oder auch mit einzelnen Fingern auf das Holz getrommelt wird.

Dass Stefan Grasse auch das klassische Fach „auf dem Kasten“ hat, zeigt seine etwas jazzig-skurrile Interpretation der „Gymnopedie“ Erik Saties. Noch viel süßer kann man das impressionistische Kleinod kaum in die Welt entlassen. Eine stilistisch vielfältige Schiffsreise, die von keiner Flaute aufgehalten und von keinem Unwetter gefährdet wird. Aber nur weil Stefan Grasse und Tobias Kalisch auf der Brücke des Jungen Theaters stehen. An Deck könnte man noch stundenlang mit offenen Augen (und Ohren) träumen.

Die CD „Brisas de Mar“ ist zum Preis von 15,90 Euro bei Stefan Grasse erhältlich. Mehr dazu unter www.stefan-grasse.de

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