Grenzgängerinnen zwischen Welten und Materialien

8.2.2016, 18:01 Uhr
Filzkünstlerin Maria Weber aus Weiden ist besonders experimentierfreudig. Meeresfilz nennt sie die riesengroßen, an Quallen erinnernden Gebilde, die im Rathaus von der Decke baumeln.

© Udo Güldner Filzkünstlerin Maria Weber aus Weiden ist besonders experimentierfreudig. Meeresfilz nennt sie die riesengroßen, an Quallen erinnernden Gebilde, die im Rathaus von der Decke baumeln.

Einige der Spezialistinnen für Filz haben bereits in der Kaiserpfalz ausgestellt, für die Mehrheit ist die Gemeinschaftsschau eine Premiere in Forchheim.

Lokalmatadorin ist Barbara Eichhorn (Heroldsbach-Thurn), deren fragile Gebilde so fein gearbeitet sind, dass man die Pappelsamen aus Mallorca im Inneren erkennen kann. Und sie wagt sich an deutlich politische Aussagen, indem sie Fische auffädelt, die schier vor Plastik zu bersten drohen. Oder indem sie Schrumpfköpfe mit wirrem Haar und noch wirrerem Kopfinneren als „Spießbürger“ auf Metallstäbe setzt. Auch wenn viele Filzkünstler ihr Geld auf Kunsthandwerkermärkten verdienen (müssen), so zeigt „Grenzgängerinnen“ doch keine leicht verdauliche Kost.

Auf Schritt und Tritt schneidet sich der Betrachter am scharfen Filz, der doch so flauschig und heimelig daherkommt. Wie in Csilla Wenczels Werken über Wanderschaft und Loslassen. Die Rumänin, die in Wendelstein lebt, hat mit der speziellen Shibori-Technik den Stoff kunstvoll gefaltet und gefärbt und setzt ästhetische Akzente zu den „Brennenden Gärten von Damaskus“.

Da wirken die aufgespannten, hauchdünnen Stoffe, in denen Anne Jansen (Bamberg) das Zusammenspiel von Ordnung und Variation austestet, beinahe harmlos. Doch nur beinahe, denn in ihren weiter unten aufgebauten Gefäßen hält die Hochzeit zu Kanaan Einzug.

Hommage an die Farbe Indigo

Die Oberpfälzerin Johanne Spaethes hat ihre an Wandteppiche erinnernde Arbeit „Jacke wie Hose“ aus einem wilden Sammelsurium zerschnittener Jeans-Kleidung zusammengesetzt. Ihre Hommage an die Farbe Indigo feiert sie mit Unendlichkeitssymbolen wie der sich selbst fressenden Schlange. Besonders experimentierfreudig ist Maria Weber (Weiden), die am Strande Sardiniens aufgelesenen „Meeresfilz“ zu Bildern und Objekten formt. Dabei ist das Material eigentlich Seegras, das von den Mächten des Meeres solange „gefilzt“ wird, bis daraus eine Masse wird, die filzähnliche Eigenschaften hat.

Erst im letzten Moment hat Maria Milan (Fürth) sich der Ausstellung angeschlossen und dabei um eine der Steinsäulen herum improvisiert. Die Spanierin hat eine Art Marienaltar aufgebaut, den kleine Blumen umgürten. Ihre kleinen Arbeiten entstehen aus Pfeifenputzern, Knöpfen und Stoffresten wie einem indischen Sari-Gewand oder jahrzehntealten Faschingshüten. „Ich bin eine Sammlerin.“

Wie man aus Landschaftsfotos Filz-Kunstwerke erwachsen lässt, präsentiert Heidi Drahota (Nürnberg) ebenso eindrucksvoll wie ihre verstörenden Collagen zu Menschenrechtsverletzungen. Aus Wolle, Seide und Samt und Dank selbstgemachten Holunderbeersaftes entstehen so Miniaturen, in denen, täuschend echt, filzige Moose und Flechten über die Leinwand kriechen und in denen darunter noch das Original ein Eigenleben führt.

Mit ihren Bildern der „Erneuerung“ und ihren Filz-Säulen gelingt Ruth Zenger (Buckenhof) der Spagat zwischen meditativer Ruhe und dynamischer Veränderung.

Dabei ist das Filzen eine Wissenschaft für sich, wie Barbara Westerath (Altdorf) betont. Nicht nur bei der Auswahl der passenden Wolle, da bieten sich hunderte Möglichkeiten je nach Schafrasse und Weidegrund der Tiere an. Für die Ausstellungsbesucher hat Westerath eine Wand zum Selberfühlen mitgebracht, die zugleich auch die Begrenzheit des Materials offenbart.

Die Ausstellung ist bis zum 20. Februar zu sehen. Während der Öffnungszeiten, Mo—Fr 11—17 Uhr, Sa 10—13 Uhr, sowie am 13. Februar von 10—16 Uhr und am 14. Februar von 11—16 Uhr wird eine der Künstlerinnen anwesend sein und den Besuchern für Fragen zur Verfügung stehen.

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