Handwerker suchen händeringend Nachwuchs

1.9.2014, 06:00 Uhr
Handwerker suchen händeringend Nachwuchs

© Foto: Roland Huber

Werner Oppel ist seit Jahrzehnten im Geschäft. Als Meister führt er seinen Heizungsbaubetrieb, als Kreishandwerksmeister engagiert er sich in der Kammer. Jedes Jahr stellt er Auszubildende ein. In diesem Jahr hat sich keiner gefunden. Einer sei da gewesen zum Vorstellungsgespräch, aber der wollte dann lieber Kaufmann werden.

Mit den Bürojobs, mit Banken und Handel kann das Handwerk momentan nicht mithalten. Nicht nur, dass es aufgrund des demographischen Wandels per se immer weniger Jugendliche gibt und diese dazu noch häufig die höhere Schullaufbahn einschlagen. Die geminderte Zahl an Azubis, die dann noch nach Lehrstellen sucht, sehe ihre Zukunft immer seltener im Handwerk. Deshalb sind die Ausbildungszahlen schlecht. In ganz Oberfranken gibt es im Handwerk 600 offene Lehrstellen.

„So schlimm wie dieses Jahr war es noch nie“, sagt Oppel. „Es gibt einfach keine Bewerber.“ Die Handwerkskammer versucht bereits seit einiger Zeit gegenzusteuern. Handwerksbetriebe sind auf Ausbildungsmessen Stammgast, haben Patenschaften für Schulen übernommen und machen Werbung für ihren Berufsstand, wo es nur geht. „Gerade erst ist die neue Werbekampagne des Handwerks in der Sportschau angelaufen“, sagt Oppel.

Gut bezahlt

Bei der Handwerkskammer Oberfranken (HWK) hat man festgestellt, dass es auch an mangelndem Wissen liegt. Zum Beispiel darüber, dass die Zahl der Ausbildungsberufe groß ist und nicht nur Klassiker wie Maurer, Maler oder Fliesenleger umfasst. Oder darüber, dass es im Handwerk sehr wohl Aufstiegsmöglichkeiten gibt. Oder auch über die Bezahlung. „Handwerkliche Arbeit wird besser vergütet als viele annehmen“, sagt HWK- Hauptgeschäftsführer Thomas Koller.

Das bestätigt Claudia Gottstein, Inhaberin des Forchheimer Friseursalons Weber und Obermeisterin der Friseurinnung. „Früher war Friseurin der Traumberuf der Mädels.“ Inzwischen ist das anders und das hat viel mit dem Image des Berufs zu tun. „Wenn Mädchen in der Schule gute Noten haben und dann Friseurin als Berufswunsch äußern, bekommen sie von allen Seiten ein ,bloß nicht‘ zu hören“, erzählt sie.

Das Bild der Ausbildung sei geprägt vom geringen Verdienst, für den man den ganzen Tag den Kunden die Haare schneidet. „Dabei hat der Beruf so viel mehr zu bieten“, findet Claudia Gottstein. Nicht nur, dass Friseure inzwischen auch Nägel maniküren, Augenbrauen zupfen und Make-up-Tipps geben, es gebe auch gute Aufstiegsmöglichkeiten. „Wer seinen Meister macht, kann einen eigenen Laden eröffnen.“

Doch das stehe bei der Berufswahl für viele wohl nicht im Fokus. Und so bewerben sich bei der Friseurmeisterin meist diejenigen, die in der Schule nicht so viel Zeit und Engagement in gute Noten investiert haben und die auch in der Ausbildung nicht die nötige Disziplin an den Tag legen.

Bei der Stange halten

Das hat auch Christian Jaklin, Obermeister der Bauinnung Forchheim, festgestellt. Es gehe nicht nur darum, Bewerber zu finden, sondern auch, diese bei der Stange zu halten. „Da macht es das Smartphone den Ausbildern mitunter recht schwer“, sagt Jaklin. Weil die Azubis nebenbei gern mal aufs Handy schauen, müssen die Ausbilder sie ständig im Auge behalten. Auch sonst sehe es mit der Disziplin nicht immer gut aus. „Das kann man zum großen Teil aufs Elternhaus zurückführen“, erklärt er. Stehen die Eltern hinter der Ausbildung ziehen die Jugendlichen diese meist durch. „Ist das Elternhaus problematisch, ist es auch schwierig, dass die Kandidaten dabei bleiben.“

Viele Beschäftigte verloren

Besonders wenige Interessenten gebe es im Tiefbau. „Die kriegen kaum Lehrlinge“, weiß Christian Jaklin. Die Unternehmen behelfen sich hier mit Hilfsarbeitern, die weiter qualifiziert werden, oder Seiteneinsteigern. So pessimistisch sieht der Obermeister die Lage auf dem Ausbildungsmarkt nicht. Auch er weiß: „Gerade beim Bau haben wir ein Marketingproblem.“

Und daran versuche die Kammer mit den Werbekampagnen etwas zu ändern. Aber es werde noch eine Weile dauern, bis sich das in den Köpfen von Azubis und deren Eltern durchsetze. Und man müsse bedenken, dass wegen der wirtschaftlichen Flaute zwischen 1995 und 2005 die Baubranche die Hälfte ihrer Beschäftigten verloren habe. „Wenn der Vater als gelernter Maurer darunter war und jetzt der Sohn Maurer werden will, wird er ihm vor diesem Hintergrund doch erst einmal abraten“, erklärt Christian Jaklin.

„In Zeiten des Fachkräftemangels müssen Betriebe lernen, auf sich und ihre Ausbildungsmöglichkeiten aufmerksam zu machen“, sagt Hermann Zeis, Pressesprecher der Bamberger Arbeitsagentur. Und sie müssen offen sein für die „Hidden Champions“ — diejenigen, die sie aufgrund ihrer Noten oder ihres Schulabschlusses auf den ersten Blick nicht einstellen würden. „Manch schwacher Schüler entpuppt sich als Praktiker.“

Diese Erfahrung hat auch Friseurmeisterin Claudia Gottstein gemacht. Eine ihrer zwei Auszubildenden hatte wegen ihrer Noten erst keine Lehrstelle gefunden und eine geförderte Ausbildung über das Berufliche Fortbildungszentrum der bayerischen Wirtschaft begonnen. Über diese kam sie in den Friseursalon von Claudia Gottstein. „Es ist der Hammer, wie sie sich in der Praxis macht“, sagt die Chefin. Auch wenn ihr das theoretische Lernen schwer falle, das Mädchen lege in der Praxis Talent und Freude an den Tag. „Da macht die Ausbildung richtig Spaß.“

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