Hinter der Fassade steckt mehr

22.7.2014, 18:04 Uhr
Hinter der Fassade steckt mehr

© Udo Güldne

Podkolessin alias Frederik (Daniel Haus) ist der „Bachelor“, der Junggeselle, den das Leben irgendwie gar nicht in den ehelichen Hafen treibt. Sein „Freund“ Kotschkarjow, der parallel als Moderator sein mephistofelisches Unwesen treibt (Marty Hauk), selbst wohl unglücklich verheiratet, versucht, den inzwischen ergrauten das Grauen schmackhaft zu machen.

Aus dem Freien wird ein Freier. Podkolessin, der in seiner trägen Unentschlossenheit an Gontscharows Romanfigur Oblomow erinnert, entschließt sich dann doch — und los geht es mit dem Kampf um die Rose; übrigens anders als in der literarischen Vorlage „Die Heirat“, in der es eine Frau mit vielen Freiern aufnehmen muss. Das scheint allerdings den vielen jungen Damen in Bernd Pillipps Ensemble geschuldet.

Probleme weggeraucht

Und so spiegelt sich das Geschehen in einer Typenkomödie. Da ist Aurora (Theresa Körber), die Esoterikerin. Als Hippie-Nachfahrin sind für sie alle Probleme mit einer Tüte Hanf wie weggeblasen. Oder Amelie (Anna- Maria Müller), die als Triangel-Spielerin im Kirchenchor den Ton angibt. Die „Unschuld vom Lande“ gummistiefelt über die Bühne.

Dass hinter der Fassade mehr steckt als auf den ersten RTL-mäßigen Blick zu erkennen wäre, zeigt nicht nur die Garderoben-Szene, in der sich die Kandidatinnen mental unbekleidet geben. Bereits in der Kino-Szene hat Amelie, die vorgeblich unberührte Unberührbare mit einem Pappbecher und einem Strohhalm Zweifel an dieser Selbst-Inszenierung aufkommen lassen.

Wohl aus Kostengründen ist der in der antiken Komödie deutlich größere Chor zu einem kommentierenden Trio (Jan Nittka, Till Raum und Tobias Raymann) geschrumpft.

Dann gibt es da noch Bettina (Cita Pelka), die als Geschäftsfrau die fixe Idee der Weltherrschaft verfolgt und dabei ganz vergessen hat, im privaten Umfeld schon einmal Grenzen zu überschreiten und Eroberungen zu machen.

Blicke beim Ausziehen

Als abziehbildliches Partygirl zieht Jacqueline (Nicole Misch) die Blicke aller auf sich — auch und gerade beim Ausziehen. Alles scheint auf Marie alias Agafja (Vanessa Wolf) hinauszulaufen, deren romantische Ader bei einem Champagner-Erdbeeren-Picknick pulsierend hervortritt. Ob man derlei rosamundepilcheriges Getue jahrzehntelang aushält, daran scheint auch Podkolessin seine Zweifel zu haben, der zuletzt die spiegelbildliche Form des Fensterlns vorzieht.

Wo bei Gogol der „Held“ der Heirat durch einen Sprung aus dem Fenster fluchtartig entkommt, da muss es im Jungen Theater bei einer wegwerfenden Geste des Rosenkavaliers bleiben. Eine umwerfende Inszenierung eines Klassikers, der eine zweite Aufführung verdient hätte. Auch für diejenigen Zuschauer, die keinen Platz mehr gefunden haben.

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