Jahn muss auch im Norden Abstriche machen

29.3.2015, 18:20 Uhr
Jahn muss auch im Norden Abstriche machen

© Ralf Rödel

In legerer Sportjacke tritt Gunter Bierfelder ans Rednerpult. Die Zuhörer sind vom Rechtsanwalt formelleres Auftreten gewohnt. Die brisantere Veranstaltung hatte der Jahn-Vorsitzende am Vortag erlebt, als im Stadtrat die Pläne für die zukünftige Gestaltung des Vereinsgeländes als Wohn- und Gewerbequartier präsentiert wurden. Und natürlich bei der Jahresversammlung im Vorjahr, als rund 200 Mitglieder dem Vorstand nach intensiver Diskussion die Verhandlungsvollmacht erteilten.

2015 sind in der Jahn-Halle weniger als die Hälfte anwesend, um sich vor allem über die neuesten Entwicklungen zu informieren. „Die Reaktionen quer durch die Parteien waren überwiegend positiv und stimmen mich zuversichtlich“, sagt Bierfelder über die Stadtratssitzung und legt wieder seine bekannte ernste Miene auf: „Aber ich spürte auch eine gewisse Verunsicherung. Da ist in gewissen juristischen Fragen noch Aufklärungsarbeit nötig.“ Als mit der Hamburger Investorenfirma Dignus Ende Dezember ein "unterschriftsreifer Vertrag" ausgearbeitet war, äußerte Oberbürgermeister Franz Stumpf überraschend Bedenken wegen des seit langem bekannten Rückübertragungsrechts – das Vorkaufsrecht der Stadt für das Jahn-Gelände für einen in Reichsmark festgelegten Preis – und wirbelte damit sämtliche Zeitpläne durcheinander.

In der Frage, wie die Stadt für ein Verzicht adäquat entschädigt werden kann, herrscht nun noch Uneinigkeit. Es geht auch um Haftung gegenüber dem Investoren, falls das millionenschwere Bauprojekt doch noch an einer der komplizierten rechtlichen Hürden scheitern sollte. Seine eher lockere Kleidung, betont der Jahn-Vorsitzende, habe er dennoch bewusst ausgewählt: „Die Sportjacke soll bei all den Themen daran erinnern, wozu wir eigentlich hier sind. Um im Verein Sport zu treiben.“ Ein schöner Wunschgedanke, wie Bierfelder weiß. Nur einen geringen Teil ihrer Energie und Aufmerksamkeit können die Verantwortlichen den sportlichen Dingen widmen.

Seine Worte „Die Umsiedlung muss gelingen - aber nicht um jeden Preis“ untermauert Kassier Gerhard Tinkl mit harten Zahlen: „Zwar sind meine Befürchtungen für das Jahr 2014 nicht in vollem Umfang eingetreten, aber die finanzielle Lage ist weiter prekär.“ Noch einmal konnten 4000 Euro im Ausgabenbereich eingespart werden, unter dem Strich steht dennoch ein Defizit von 35 000 Euro. Der 1336 Mitglieder zählende Jahn ist mit 604 000 Euro verschuldet.

Neben der Zinsbelastung sei es eben jene von vielen Alteingesessenen geliebte Kulturhalle, die dem Verein wie ein schwerer Klotz am Bein hängt. Nachdem die Stadt in den letzten Jahren ihre Zuschüsse sukzessive eingestellt und andere Standorte für Kulturveranstaltungen entdeckt habe, verschlechterte sich die Situation seit dem letzten positiven Geschäftsjahr 2008 zusehends.

Die Einnahmen brachen von knapp 104 000 Euro in 2008 auf 47 000 Euro ein. „Der Gewinn aus dem Wirtschaftsbetrieb kann gerade nur noch die Betriebskosten decken“, stellt Tinkl nüchtern fest. Das einstige Aushängeschild „Lumpenball“, aber auch das Catering beim Open-Air-Konzert von Xavier Naidoo erbrachten nicht den erhofften Umsatz. Auch die Fußball-Abteilung verpasste einen ausgeglichenen Etat, insgesamt konnten im Vergleich zum Vorjahr 12 500 Euro weniger aus Spenden und Sponsorengeldern generiert werden.

Finanzsorgen nicht gelöst

Mit 15 000 Euro schlagen Heizkosten und Platzpflege zu Buche. Dabei, so heißt es später im Abteilungsbericht, reichen die Kapazitäten schon lange nicht mehr für die 200 Aktiven aus. Vier Großfeld-Jugendmannschaften wandern ab Mai schon auf das VfB-Sportgelände. Schatzmeister Gerhard Tinkl schloss seine Ausführungen mit der deutlichen Warnung: „Eine Neuverschuldung ist keine Option, uns gehören ja die Flächen nicht. Der Umzug muss sich also lohnen.“ 130 000 Euro sollen nach dem Geländedeal auf dem Festgeldkonto übrig sein.

Damit erfolgt die Überleitung zu Vorstandsmitglied Uwe Schüttinger, der mit dem Arbeitskreis „Jahn 2016“ an der Zukunft bastelt. Während die Einteilung der Anlage mit drei Fußballplätzen und acht bis zwölf Tennisplätzen bereits als gute Lösung – „genug Raum für jede Abteilung, und trotzdem rücken alle näher zusammen“ – gelobt wird, bereiten die Kosten für das neue Funktionsgebäude Kopfschmerzen. „Die Entwürfe sind überdimensioniert“, konstatiert Schüttinger. Der Architekt (Entwickler ist ebenfalls die Firma Dignus) kam dabei zunächst sämtlichen Wünschen des Jahn nach, der unter anderem Tribüne, Frei-Terrasse, Gaststätte, Kabinen- und Sanitäranlagen sowie einen Multifunktionsraum in seinem Hauptquartier integriert haben möchte.

Container in Forchheim-Nord?

„Alle müssen wohl noch Abstriche machen. Wir haben uns natürlich woanders umgesehen. Beim neuen Leistungszentrum der SpVgg Greuther Fürth haben sie sich für ein günstiges und optisch akzeptables Container-Modell entschieden“, deutet Schüttinger die aktuellen Planspiele an. Grundsätzlich, fasst Gunter Bierfelder zusammen, könne der Unterhalt gestemmt werden: „Der B- und der C-Platz gehören dem Landkreis, da ist eine für beide Seiten lohnende Zusammenarbeit über den Schulsport vorstellbar. Wir sind also noch lange nicht am Ende mit den Verhandlungen. Mit dem Stadtratsbeschluss ist jetzt der Zug aber aufs Gleis gesetzt. Wenn sich alle Beteiligten an ihre Zusagen halten, wird der Umzug erfolgreich sein.“ Ansonsten trete Plan B in Kraft und man bleib wo man ist.

Kurz vor dem abschließenden Teil der Versammlung mit Ehrungen und Ausklang kommt die SpVgg Jahn noch zu einem anderen Punkt, der nichts mit dem Sportlichen zu tun hat und mit dem sich die Führungsspitze beschäftigen muss. Eine Formalität, die das Finanzamt Erlangen aus steuerlichen Gründen erfüllt haben will und die Abteilung Spielmannszug betrifft. Im Vergleich zu den drängenden Zukunftsfragen eine leicht zu überwindende Hürde, die kaum Erklärung verlangt. Einstimmig votieren die Anwesenden für eine Satzungsänderung, mit der die „Förderung von Kultur“ als Vereinszweck aufgenommen wird.

Hinweis: Der Artikel wurde am 30.3. an mehreren Stellen überarbeitet.

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