Kampf gegen Mikroplastik: Infiana setzt auf Innovationen

7.11.2018, 06:00 Uhr
Kampf gegen Mikroplastik: Infiana setzt auf Innovationen

© Foto: Udo Güldner

Wenn wir uns verletzt haben, hilft uns ein Pflaster, die Wunde zu schützen. Wenn wir im Krankenhaus liegen, kommen die Medikamente durch Röhrchen in unseren Körper. Wenn wir ein EKG angelegt bekommen, sitzt die Elektrode auf einer Abziehfolie.

Überall kommen wir mit Produkten in Berührung, die im Geviert zwischen Schönbornstraße, Zweibrückenstraße, Nürnberger Straße und Theodor Heuss-Allee entstanden sind. Inmitten Forchheims werden von 750 bis 800 Mitarbeitern aber auch Verbundstoffe für den Hausbau, für Flugzeuge oder Windkraftanlagen aus den unscheinbaren Kunststoff-Kügelchen geformt.

"An Plastikfolien kommt man schwer vorbei." Das gilt auch für all die Dinge, die Infiana gar nicht herstellt. Aber was passiert, sobald die Fleece-Jacken gewaschen werden, die Autoreifen sich aufreiben, die Peeling-Kosmetika im Abfluss verschwinden? "Wir können nicht jedes Problem lösen, das in Zusammenhang mit Mikroplastik auftritt. Aber wir können unseren Beitrag leisten", beteuert Sonja Haug. Im vergangenen Jahr wurden 259 Kilogramm Granulat, die beim Befüllen der 28 Meter hohen Silos oder bei der Probenentnahme zur Qualitätskontrolle auf der Strecke geblieben waren, auf dem Fabrikhof zusammengekehrt. "Das Ziel muss sein, dass diese Menge gegen Null geht. Inzwischen sind es weniger als 100 Kilogramm."

30 000 Tonnen Rohstoff jedes Jahr

Wenn man die etwa 30 000 Tonnen Rohstoff betrachtet, die alljährlich von Zulieferern als "Halbware" herantransportiert und dann zu überwiegend Polyethylen (PE) und Polypropylen (PP) Folien veredelt werden, klingen knapp 300 Kilogramm nicht nach viel. Wenn es die einzige Maßnahme wäre. Haug und ihre Kollegen haben es sich aber zur Aufgabe gemacht, möglichst kein Körnchen zu vergeuden und möglichst viel zu recyceln.

Damit möglichst wenig in der Umwelt landet. "Das beginnt mit den Zuschnitten, die wieder in den Produktionskreislauf eingespeist werden (Re-Granulation) und endet mit dem Abfall, der mit Silikon oder Druckfarben versehen ist und thermisch verwertet, sprich zur Energieerzeugung verbrannt wird", so Haug.

Zudem haben die Folienspezialisten es in den letzten Jahren geschafft, das gleiche Produkt mit immer weniger Material zu erzeugen. "Bei der Verpackung von Damenbinden etwa ist die Wandstärke von 35 auf 17 Mikrometer geschrumpft." Das sind 17 tausendstel Millimeter – also richtig dünn. Rechnerisch kann man nun doppelt so viele Endprodukte mit gleichem Materialeinsatz produzieren. Die Fortschritte hier sind freilich so groß, dass kaum noch dünnere Folien möglich sind. "Irgendwann kann man bei medizinischen Dingen aus hygienischen Gründen nicht weitergehen."

Schutzmaßnahmen für die Wiesent

Nicht alles ist nur eine ökologische Frage. Mitunter spielen auch ökonomische Aspekte eine Rolle. Haug ist studierte Betriebswirtschaftlerin und hat ein Gespür für Zahlen und Kosten. Bei der Energierückgewinnung beispielsweise. "Die Abwärme der Maschinen nutzen wir, um die Produktionshallen zu heizen." Im nächsten Jahr sollen die Schutzmaßnahmen am Wiesentkanal ausgebaut werden. Und zwar buchstäblich. Mit einer Wasserbarriere möchten die Ingenieure verhindern, dass bei den immer häufigeren Starkregen auch nur ein Gramm Granulat in das Gewässer gespült wird.

"Wir sind ständig dabei, uns zu verbessern, und das nicht nur anlagentechnisch, sondern auch durch gezielte Produktentwicklung." Wer das sagt, der muss es wissen. Ist Dr. Herbert Bader doch der Vice President Innovation. Oder wie man früher gesagt hätte: der stellvertretende Entwicklungschef. Derzeit erforschen Biologen der Technischen Universität München in Freising gemeinsam mit Infiana, wie sich verschiedene Arten von Mikroplastik und darin enthaltene Zusatzstoffe auf allerlei Tiere im und am Wasser auswirken. Ob die Teilchen, deren Durchmesser unter fünf Millimetern beträgt, den Fischen schwer im Magen liegen, den Hormonhaushalt von Krebsen stören oder sich in Muscheln so anreichern, dass sie später über die Nahrungskette auf dem Teller landen.

Gefahrenpotenzial untersuchen

"Wir untersuchen in diesem Forschungsprojekt unterschiedliche Kunststoffgranulate inklusive Biokunststoffe sowie daraus hergestellte Folien und wollen dadurch verstehen, wie sich Mikropartikel aus unseren Produkten auch im Vergleich zu natürlichen Mikropartikeln verhalten, welche unterschiedlichen Effekte es gibt und welche technischen Maßnahmen wir zusätzlich einführen müssen, damit von unseren Produkten durch Mikropartikel keine Gefährdung ausgeht", erzählt Bader.

Beim Hinausgehen erfährt man ganz nebenbei noch, dass man hier seiner Zeit einst so weit voraus war, dass die Innovationen noch auf gar keine Nachfrage stießen. "Wir waren, als es noch 4P-Folie hieß, Pioniere bei biologisch abbaubaren und kompostierbaren Spezialfolien, hergestellt aus Stärke", sagt Haug. Da sei man zehn Jahre zu früh auf den Markt gekommen. Das soll mit einigen anderen Innovationen nicht noch einmal passieren. "Wir haben noch einiges aus dem Bereich nachwachsende Rohstoffe in der Schublade."

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