Kersbacher BI: "Wir wollen mit euch etwas erreichen"

7.2.2019, 06:00 Uhr
Kersbacher BI:

© Archivfoto: Roland Huber

Die Kartonagenfabrik ist längst gebaut. Vor genau zehn Jahren hatte sich eine Gruppe von Kersbacherinnen und Kersbachern im Protest gegen die Pläne der Firma Kartonax zusammengefunden, vor den Toren des Ortes ein riesiges Gebäude zu errichten, bis zu 33 Meter hoch.

Ihr Protest hatte Erfolg: Der umstrittene Gebäudekomplex entstand nicht. Kartonax zog aufgrund des Widerstandes die Option, sich bei Hausen am heutigen Pilatus-Ring anzusiedeln. Das Gebäude dort fiel wesentlich kleiner aus, denn zwischenzeitlich änderten sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Branche. "Wahrscheinlich hätte er auch in Kersbach nicht so groß gebaut wie zuerst geplant", sagt heute Rainer Thieme, der mit Gerhard Schneider das Sprecher-Duo der Kersbacher BI bildet.

Wo seinerzeit Kartonax geplant war, steht heute Hegele: 100 Meter breit, 500 Meter lang. Aber halt nicht 33 Meter hoch. "Wir haben am 31. Januar 2009 ein 33 Meter langes Absperrband von der damaligen Bäckerei bis vor zum Gasthaus Greif gespannt", erzählt Thieme. Damit sollte greifbar werden, wie hoch die Kartonax-Fabrik ausfallen würde, nämlich "fast so hoch wie der Kirchturm". Das war die Geburtsstunde der BI. Spontan hätten sich damals Leute in der BI Kersbach "Lebenswertes Forchheim" mehr oder weniger locker organisiert.

Neue Themen gefunden

Das Besondere: Kartonax war schnell Geschichte, doch die BI blieb trotzdem erhalten. Sie änderte nur ihre Angriffspunkte, erzählen Thieme und Schneider. Beispiel Haltepunkt Kersbach: In den Planungen für die ICE-Ausbaustrecke kam der Bahnhof fast komplett unter die Räder. Dann wurde zwar ein Halt geplant, aber mit unzumutbaren Wegen für Pendler (der Parkplatz im Westen, Fußgänger mussten 800 Meter über Berg und Tal, um zum Bahnsteig zu gelangen).

Die BI war der Meinung: "Da müssen wir wieder ran", so Gerhard Schneider. Und so war es dann auch. Thieme: "Wir sagen nie: Das ist alles falsch. Wir sagen immer: So könnte man es besser machen." Mit dieser Haltung, so sehen es die BI-Sprecher, konnten sie schließlich die Stadtverwaltung und die Bahn-Planer von einer besseren Lösung überzeugen. Dass die Stadt den jetzt gebauten Halbtunnel und die Verlegung des Pendlerparkplatzes auf die Ost-Seite als eigene Idee beansprucht, "hat uns nur kurz geärgert", so Thieme. Wichtig sei das Erreichte gewesen.

In der BI Kersbach "Lebenswertes Forchheim" treffen sich jeden ersten Dienstag im Monat im Rotkreuz-Heim rund zehn Leute, darunter drei Frauen. Der Altersdurchschnitt? Eher im Rentnerbereich: "Wir haben aber auch junge Familienväter in den Dreißigern", so Schneider. Die bringen dann ihre Themen ein: Schule und Kindergarten zum Beispiel.

Schneider und Thieme machten in der BI die Erfahrung, dass sich damals "zum ersten Mal Einheimische und Zugereiste zusammensetzten, miteinander redeten und ein gemeinsames Ziel verfolgten". Kersbach sei ja kein Ort, "wo man sich trifft", so Thieme. Einfach weil der Treffpunkt fehlt. Die BI wird von rund 30 Leuten getragen, wenn auch die Aktiven an zwei Händen abzuzählen sind. Thieme (68) und Schneider (75) haben eine berufliche Vergangenheit als Physiker und Ingenieur im Siemens-Konzern. Wenn es um Pläne und Berechnungen geht, können sie und andere BI-Mitglieder mit städtischen und anderen Planern locker mithalten. Ihnen macht so schnell niemand ein X für ein U vor.

Ein wichtiger Faktor des Erfolgs ist aber das stets konstruktive Verhalten: "Unsere Haltung ist: Wir sind nicht gegen euch, sondern wir wollen zusammen mit euch etwas erreichen." Seit 2009 bereitet die BI für die jährliche Bürgerversammlung im Ortsteil eine detaillierte Fragenliste vor. So hat der Oberbürgermeister die Chance, schon im Vorfeld Fragen zu klären, um sie dann in der Versammlung konkret zu beantworten anstatt aufs nächste Jahr vertrösten zu müssen. Und die Kersbacher dürfen sich ernst genommen fühlen. Was früher nicht immer so war, wie Gerhard Schneider sagt, der seit 1980 hier wohnt: "Wir hatten damals den Eindruck, dass Kersbach etwas im Abseits lebt."

Hochwasserschutz, Pointäcker-Süd, Radwegekonzept, der Verkehrsfluss im Fall einer Umgehung bei Neunkirchen — der BI gehen die Themen so schnell nicht aus. Die beiden "Kümmerer", nicht mehr die jüngsten, fühlen sich noch fit. Aber: "Wir hoffen doch, dass wir in der BI Erben kriegen."

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