"Kneipenfetzt" rockte die Forchheimer Altstadt

13.3.2016, 16:42 Uhr
Das "Kneipenfetzt" 2016 in Forchheim: In 20 Locations steppte der Bär.

© Roland Huber Das "Kneipenfetzt" 2016 in Forchheim: In 20 Locations steppte der Bär.

"Wir setzen noch einen drauf: das Kneipenfetzt 2016 wird noch größer und noch vielfältiger", ließen die Veranstalter Megafon und Junges Theater im Vorfeld verlauten. Sie sollten rechtbehalten. Die 20 Bands - so viele wie nie - deckten in den 19 Locations die unterschiedlichsten Musikrichtungen ab: Ursprünglich waren sogar 21 Acts geplant, die Veranstaltung in der Tenne musste allerdings ausfallen, weil das mexikanische Restaurant nach dem Schwelbrand im November noch geschlossen hat.

Kurz vor 20 Uhr im Chillies: Die Musiker des Trio Voyage stimmen gerade ihre Instrumente. Gleich geht es los. Noch einmal kurz durchzählen: Nanu, die Combo besteht ja aus vier Mitstreitern. "Wir sind das erste Trio, das zu viert spielt. Außerdem ist das Programmheft zu klein, da haben nur drei von uns reingepasst", erklärt Bassist Patrick Haupt die wundersame Musikantenmehrung.

Pünktlich um acht fangen sie zu spielen an. Der erste Titel des Abends passt gut zum mediterran angehauchten Ambiente der Bar: Die sanfte Instrumentalmusik lässt einen gedanklich spontan in südlichere Gefilde versinken. Der Weg vom winterlichen Forchheim ins sommerliche Barcelona scheint mit einem Mal nicht mehr allzu weit. Die versöhnlichen Rhythmen versetzen einen in Urlaubsstimmung.

Hier steppt der Bär

Während sich im Chillies lateinamerikanische Leichtigkeit unter den entspannt verweilenden Gästen breit macht, steppt in der benachbarten Lohmühle der Bär: Die Tische und Stühle im Erdgeschoss sind beiseite gerückt, jeder Quadratmeter wird für die gut 40 stehenden Gäste benötigt. Wirt Martin Eglmeier hat gerade ein frisches Fass "Huppendorfer" aus seinem Keller geholt und kämpft sich nun tapfer durch die Massen auf der improvisierten Tanzfläche. Was für ein Gedränge.

Band und Besucher auf engstem Raum. So was schweißt zusammen. Bakestone-Cheese, vormals als Los Schnallos berühmt-berüchtigt, heizen den Besuchern gut ein - obwohl das gar nicht nötig gewesen wäre, die Lohmühle ist auch ohne musikalisches Zutun wohltemperiert.

Vor dem Bräustübla fröhnen drei Männer bei einem Zigarettenpäuschen ihrer Nikotinsucht. Auch im Inneren der Gastwirtschaft geht es rauchig zu: Mit ihrer Reibeisenstimme röhrt Sängerin Stevie von Stevie & Hel in bester Bonnie-Tyler-Manier ins Mikrofon. Kongenial ergänzt wird diese mitreißende Performance durch Hels Gitarrenspiel. Wie wandlungsfähig das Duo ist, wird deutlich, als die drei eine Coverversion von Amy Mcdonalds Hit-Single "This is the Life" aus dem Jahr 2007 zum Besten geben: Schließt man die Augen, meint man, der Song käme aus dem Radio und würde nicht gerade live in einer fränkischen Wirtschaft performanced.

Auch in der im Dezember neu eröffneten Trattoria Antonella am Marktplatz werden rockige Töne angeschlagen: Hier sitzen die meisten der circa 60 Gäste noch beim Essen. Die Tische sind stilecht in weiß-rote Tischdecken gehüllt. Während Pizza und Pasta den Gaumen verwöhnen, ist auch für Ohrenschmaus gesorgt: Die Gruppe Akust-X nimmt ihre Zuhörer mit auf eine musikalische Zeitreise durch die vergangenen 40 Jahre.

"Dann geh’ma speia"

In der Gasstätte Marktplatz sorgen derweil The MaMas mit lustigen Liedern und Kalauern für gute Stimmung im Saalpublikum. Zur Melodie von Johnny Cashs "Ring Of Fire" heißt es bei ihnen fränkisch-ordinär "Dann geh’ma speia".

Subtiler geht es im Enno zu: Frontfrau Christine Mühlenkamp und ihre Band Christine Set The Scene setzen auf leise Töne. Mit ihrer verspielten Art erobert die Sängerin vor allem die Herzen der Männer: Ein graumelierter Herr mit Nickelbrille wippt verzaubert im Takt der Musik und schlägt mit der Hand rhythmisch auf den Stehtisch vor sich.

Lauter wird es im Stadtlockal: Sheila likes Tequila halten gerade mit Crossover-Liedern die gut 100 Leute in der Lounge auf Trab. Auch hier ist es sehr warm. Nicht nur die Bandmitglieder freuen sich über die Sauerstoffzufuhr von draußen, wenn die Türe aufgeht.

Im Con Corazón treten Gipsy for Life auf. Mit ihrer spanischen Gitarrenmusik passen sie perfekt zum Ambiente der Tapas-Bar.

Ein paar Häuser weiter verwandeln Jack‘s Heroes die Brauereigaststätte Neder in ein Irish Pup. Mit Instrumenten wie Banjo und Geige interpretieren sie irische Gassenhauer auf ihre völlig eigene Art.

200 Musikfans im Arizona

Das Arizona platzt derweil aus allen Nähten. Mehr als 200 Musikfans tummeln sich im Burger-Restaurant. Verständlich - was hier geboten wird, sieht man nicht alle Tage: Acht Männer in Cowboykostümen feuern heißen Latino-Sound in die Menge - Los Pistoleros Güeros kommen bei den Forchheimer Greenhorns hervorragend an.

Etwas gesitteterer gestaltet sich der Act in der Blauen Glocke: Doch auch Two in Tune treffen mit ihren Jazzballaden und groovigen Arrangements den Nerv ihres Publikums.

Nebenan versetzen die Boogiemen’s Friends die Gäste zurück in die glorreiche Zeit des Boogie Woogie. Man merkt den Musikern ihre Leidenschaft für diese Stilrichtung an. Teilweise stehen sie während ihres Gigs auf Barhockern und animieren die zahlreichen Zuhörer im Alten Zollhaus.

© Roland Huber

Selbst eine Frau mit Krücken hält es nun nicht mehr auf ihrem Stuhl. Zeitgleich steht vor dem Fenster des Restaurants ein Paar mittleren Alters und drückt sich die Nasen platt, so fasziniert ist es von der Performance der Boogie-Kapelle. "Wir haben leider keine Karten mehr bekommen. Nächstes Jahr sind wir aber eher dran", sagt Irene Böhm, die mit ihrem Lebensgefährten Georg Schmitt ohne Einlassbändchen durch die nächtliche Innenstadt streift. Zum Glück dringen die Klänge der Bands meist bis auf den Gehsteig hinaus.

Auch vom Parkcafé dröhnt es bis auf die Straße. Wulli & Sonja wissen mit eigenen Songs und Coverversionen zu überzeugen. Stephanie Saam aus Hausen gefällt ihr Stil. "Die Musik ist gut. Aber hier ist es zu voll. Außerdem muss ich weiter", sagt sie und zieht von dannen. Jeder "Kneipenfetzt"-Besucher hat wohl seine eigene Strategie.

Eintritt zählt für alle Locations

Die einen bleiben länger, wenn ihnen eine Location zusagt, und hören sich über den ganzen Abend nur drei, vier Gruppen an. Andere wiederum möchten möglichst viele der unterschiedlichen Acts wahrnehmen, sie treibt es dabei etwas gehetzt durch das nächtliche Forchheim. Der Eintritt zählt schließlich für alle teilnehmenden Restaurants und Bars.

In der Funzl ist vor allem das jüngere Partyvolk vertreten. Eng ist es in Forchheims ältester Bierbar auch an normalen Wochenenden. Doch nun kommt man ins Kneipeninnere fast gar nicht hinein: Los Dos Canones erweisen sich als regelrechte Stimmungskanone. Die Spaßkapelle wartet mit augenzwinkernden Partysongs auf. "Hervorragend" fällt das knappe Fazit von Funzl-Gast Franzi Schneider aus.

Recht spärlich besucht ist am frühen Abend das Backstage in der Bamberger Straße. An der auftretenden Musikgruppe kann es nicht liegen: Crash unplugged geben ihr Bestes und kommen mit ihrer handgemachten Musik bei den Kneipengängern gut an.

Im Paletti steht der Abend im Zeichen der 50er- und 60er-Jahre: Mr. Finger and the Shifters liefern coole Oldies und Rock’n Roll á la Elvis Presley.

Westernpunk im Schlößla

Rustikaler geht es unweit im Gasthaus Schlößla zur Sache. Dort steht Westernpunk auf der musikalischen Speisekarte: se Hazelnuts bringen den Saal schier zum Ausflippen. Band und Fans befruchten sich gegenseitig, möchte man meinen. Viele Zuhörer hält es nicht mehr auf ihren Stühlen. Hazelnuts-Fan Elisabeth Schmidt vergibt die "Schulnote 1a".

Während im Gastraum die Menge johlt, entspannt man sich im Nebenzimmer bei einer gepflegten Partie Tischfußball. Der Refrain "In the Midnight Hour" ist auch dort zu vernehmen.

Apropos "Midnight Hour"- es ist mittlerweile fast Mitternacht. Nach und nach ziehen die Nachtschwärmer ins Gasthaus Kronengarten. Audiocrime verwandelt den Saal in den sprichwörtlichen Hexenkessel. Zu den anfangs eher jüngeren Musikfans (Mitte Zwanzig) gesellen sich nach und nach auch die älteren Semester dazu.

Man merkt: In den anderen Locations ist bald Zapfenstreich. Dort dürfen die Gruppen nur bis 0 Uhr 30 spielen. Mit ihrem Mix aus Partyhits und Chartbreakern vereint Audiocrime Alt und Jung im Nu. Jennifer Geyer aus Forchheim fühlt sich wohl im Kronengarten: "Ich finde es schön, dass man hier so viele Bekannte trifft", sagt die 26-Jährige.

"Party goes on" im Jungen Theater

Wie der Kronengarten hat auch das Junge Theater seine Pforten bis 2 Uhr geöffnet. Hier versorgen zuerst LauschRausch und später die Black Mambas die Musikjünger mit melodischem Manna. Der Bass wummert, das Herz vibriert. Im Theaterkeller tummeln sich auch zu vorgerückter Stunde mehr als 150 Partywütige.

Gegen 2 Uhr 15 begeben sich die Nachtschwärmer schließlich erschöpft, aber glücklich auf den Nachhauseweg. Selbst das Wetter hat an diesem Samstag – mitgespielt.

Auch Veranstalter Ulli Raab ist zufrieden: "Es hat alles bestens geklappt. Die Musiker waren begeistert, die Wirte motiviert. Nirgendwo gab es Probleme. Alles ist friedfertig verlaufen." Die durchwegs positive Resonanz macht Mut für die Zukunft. Das nächste "Kneipenfetzt" geht am 1. April 2017 über die Bühne. Dann vielleicht sogar mit zwei Veranstaltungsorten mehr auf dem Tableau: Als zusätzliche Spielorte kommen die Schwane und die Tenne in Frage.

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