Krimivergnügen auf der Ruine Neideck

28.7.2014, 17:47 Uhr
Krimivergnügen auf der Ruine Neideck

© Udo Güldner

Zahlreiche Krimifans lassen sich auch von drohenden Regenwolken nicht vom Aufstieg zur Burgruine Neideck abhalten. Dort wartet Dirk Kruse, Juri Smirnov mit dem Akkordeon und Leonid Khenkin mit der Klarinette auf sie.

„Ich wollte nicht noch einen Kommissar mit Alkoholproblemen erfinden, der geschieden ist.“ Stattdessen lässt Dirk Kruse, der aus Geesthacht stammt, seit fast 15 Jahren aber in Nürnberg lebt, nun bereits in seinem dritten Roman einen Gentleman-Detektiv alter Schule in Franken ermitteln. Wie seine großen literarischen Vorgänger Gervase Fen, Ellery Queen oder Gideon Fell natürlich nicht zum Broterwerb, sondern als unterhaltsamen Zeitvertreib. Denn Geldsorgen hat der Hobby-Detektiv Frank Beaufort, der über den Dächern Nürnbergs penthaust und in dessen Adern hugenottisches Blut fließt, natürlich keine.

Ein Reicher, dem das Luxusleben nicht reicht. Mord gegen die Langeweile. Beaufort indes hat Gewichtsprobleme, schließlich ist er nicht nur in einem kritischen Alter, sondern auch in kulinarisch gefährlichen Gefilden zwischen Schäufala, Kren-Rouladen und saura Nierla unterwegs. Wie einst Nero Wolfe mit seinen Orchideen, so verbringt der Privatier Beaufort seine Nächte inmitten seiner vielen Bücher.

Noch ein Toter

Alles dreht sich um großangelegte Diebstähle wertvoller Exponate aus Archiven und Sammlungen, die auch noch einen weiteren Toten hervorbringen. Begleitet wird Beaufort von seiner besseren Hälfte Anne Kamlin, die überraschenderweise für den BR arbeitet. „Amateurdetektive, die als Zeitungsjournalisten arbeiten, gibt es in der Literatur bereits viele. Ich wollte da einen anderen Weg einschlagen.“

Wie der legendäre Lord Peter Wimsey, adliger Schnüffler aus der Feder Dorothy Sayers’, bekommt es Beaufort bei jedem neuen Fall mit einer anderen Umgebung zu tun. „Das macht das Schreiben so spannend.“ Diesmal also ein naturhistorisches Museum, eine anatomische Sammlung und die übrigen Gebäude der Erlanger Hochschule. „Was für ein schöner Ort für einen Mord.“

Dabei bleiben seine Schilderungen der Orte und des Ambientes sehr nahe an der Realität. „Georges Simenon war darin ein echter Meister. Nach wenigen Sätzen sitzt man neben Maigret mit dem Glas in der Hand.“

Es bleiben auch literarische Experimente nicht aus, die Richard Wagners Jung-Siegfried plötzlich als „blondgelockten Chef-Schnippler“ im Seziersaal auftauchen lassen und seinen Verehrer Thomas Mann und dessen seitenlange Schachtelsätze liebevoll parodistisch aufspießen.

Dirk Kruse berichtet seit Jahren vom „Grünen Hügel“. Und es bleibt viel Raum für neue Erkenntnisse, nicht nur für den aktiven, sondern auch für den lesenden Amateur-Detektiv, etwa über botanische Besonderheiten (Dechsendorfer Strandling) oder anatomische Absonderlichkeiten (Zuckerguss-Milz).

Wie stark Dirk Kruse von der angelsächsischen Kriminalliteratur geprägt ist, zeigt nicht nur die Idee, die Leiche an der Universität Erlangen herumliegen zu lassen, ein echter Campus-Krimi also; das zeigen auch seine an Raymond Chandler geschulten Dialoge und seine an Patricia Highsmith gebildete Psychologisierung — und nicht zuletzt die Verteilung falscher Fährten, der von Dorothy Sayers so genannten „roten Heringe“, in denen der Leser sich verfangen soll.

In seinem nächsten Buch lässt Dirk Kruse ein Attentat auf die Bayreuther Festspiele geschehen. „Mal sehen, ob Horst Seehofer das überlebt.“

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