„Kultur ist die Hefe im Teig der Gesellschaft“

26.1.2015, 17:35 Uhr
„Kultur ist die Hefe im Teig der Gesellschaft“

© Foto: Güldner

„Mit der Kultur können Sie keinen Blumentopf gewinnen!“ An diesen Ausspruch eines früheren Nürnberger SPD-Oberbürgermeisters könne sie sich noch heute erinnern. Inzwischen aber sei sie da völlig anderer Meinung. „Was wäre Nürnberg ohne seine Burg, ohne Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände, ohne Dürer?“

Kultur sei überall, sie stifte Identität und ermögliche Integration, sie sei ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, ein Tourismusmagnet, die „Hefe im Teig der Gesellschaft“, die diese zusammenhalte.

In der „Blauen Nacht“ kommen nach Aussagen Julia Lehners rund 150 000 Besucher ins Zentrum der Metropolregion. „Dabei benehmen sich die Menschen nicht wie auf einem Volksfest, sondern friedlich und zivilisiert. Da wurde noch nicht eine Handtasche gestohlen, nicht ein Verletzter gezählt.“

Diese große Kraft der Kultur werde oft unterschätzt. Der „fränkische Minderwertigkeitskomplex“ sei völlig unangebracht, erklärt die Historikerin, die ihre ersten Sprossen auf der Karriereleiter bei den Sparkassen Schwabach und Nürnberg im Bereich Öffentlichkeitsarbeit und Marketing erklommen hatte.

„Wenn man sich ansieht, was München und Nürnberg jeweils pro Kopf für Kunst und Kultur ausgeben, dann liegt meine Heimatstadt klar vorne.“ Was darin begründet sei, dass die ganz großen Attraktionen der Landeshauptstadt, wie die Staatsoper oder die Pinakotheken, zu fast 90 Prozent durch den Freistaat Bayern finanziert würden. „Das wird bei der Betrachtung immer vergessen. Stellen Sie sich vor, das wäre in Nürnberg auch so.“

Deshalb liegt der Honorarprofessorin an der Akademie der Bildenden Künste, „übrigens die älteste der ganzen Republik“, auch so viel daran, die Kultur allen Bürgern nahezubringen, ihnen ihre Schätze vor der eigenen Haustüre zu zeigen. „Aber den Kulturbürger gibt es nicht, sondern den Sparteninteressierten. Denn wer sich für Opern begeistern kann, der lässt das moderne Ballett links liegen. Dafür ist wohl auch die eigene Zeit zu kurz.“

Und dann schildert die berufsmäßige CSU-Stadträtin in einer tour d’horizon, in welchen Bereichen sie im vergangenen Jahrzehnt um die Verbesserung der kulturellen Infrastruktur gekämpft hat, und welche Leuchttürme auch die Nürnberger Bürger miterrichtet haben. Beim Neuen Museum für Kunst und Design, „das nicht durch hängende Schultern und bettelndes Jammern, sondern durch tatkräftiges Engagement und selbstbewusstes Auftreten in München überhaupt erst realisiert werden konnte.“

Oder in der „Kunstvilla“, die als Heimstatt freischaffender Künstler dienen solle, damit diese nach dem Studium sich nicht vom Acker machten. „Darin wird aber auch regionale Kunst gesammelt.“

Für das Publikum von Morgen

Lehner verteidigte die Opernhäuser, die notwendig seien, ebenso wie Musikhochschule oder Staatstheater. „Allerdings müssen wir aufpassen, dass wir nicht nur heute, sondern auch morgen noch Publikum haben.“ Da sei in den vergangenen Jahrzehnten einiges versäumt worden.

Mit einem Klassik-Open-Air am Dutzendteich, inzwischen „in seiner Art das größte Deutschlands“, habe man neue Wege beschritten, um den Nachwuchs und die Musik zusammenzubringen. „Es ist nicht zu spät.“ Ein anderer Schwerpunkt sei Nürnberg als Mekka des Kindertheaters mit eigenen festen Spielstätten. Hinzu kommen ein neues Schauspielhaus, Literaturfestivals, sowie eine umfassende Bildung nicht nur der Kinder und Jugendlichen, sondern auch der vielen Zuwanderer „mit dem berühmten Migrationshintergrund“.

Vor den Problemen könne man nicht die Augen verschließen. Deshalb plant Julia Lehner mit dem Z-Bau das nächste Projekt, die Umwandlung einer ehemaligen SS-Kaserne in der Südstadt, die lange Zeit von den US-Truppen genutzt worden war, hin zu einer Begegnungsstätte der freien Szene und junger Musikgruppen. „In den 90er Jahren gab es Umfragen, nach denen Nürnberg als langweiligste Stadt Deutschlands zu gelten habe, aber diese Zeiten sind lange vorbei. Denn Kultur geschieht in der Gegenwart, aber sie zeigt in die Zukunft.“

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