„KunstRaum“ Weißenohe feiert zehn Jahre

6.9.2014, 10:00 Uhr
 „KunstRaum“ Weißenohe feiert zehn Jahre

© Rolf Riedel

Ausstellungskurator Lutz Krutein und die Mitinitiatorin Katharina Winkler haben in dieser Zeit eine große Schar von bildenden Künstlern für diese besondere Form finden können, in der sich Kunst kritisch mit sozialen und gesellschaftlichen Themen auseinander setzt.

In diesem Jahr stellen sich die Ausstellungsmacher die Frage, inwieweit sich im Zuge des gesellschaftlichen Wertewandels das Streben des modernen Menschen nur noch auf Konsum und Leistung konzentriert. Dabei geht es — und das macht die Faszination aus — darum, dass die teilnehmenden Künstler ihre eigene Form finden und ihre Ausdruckskraft darauf verwenden, auf individuelle Art und Weise diese besondere Lebensform zu interpretieren. Es gibt in der Weißenoher Ausstellung, die sich unter dem Begriff „KunstRaum“ immer wieder neu zusammenfindet, bewusst keine Leitlinie, keinen roten Faden, Berührungspunkte oder Schnittstellen. Die ausstellenden Künstler unternehmen den Versuch, das Produkt- und Kulturangebot nahezu klinisch zu sezieren und die Schwachstellen offen zu legen.

Wenn etwa Edgar Kucharzewski seine „Lichtgestalt“ — ganz in blau — beim Denken mit seinem Kleinhirn Fußball spielen lässt, will er damit zum Ausdruck bringen, wie er selbst das Thema interpretiert: „Diese stets gut gelaunten Männer und Frauen bestimmen das mediale Geschwalle. Sie sind unerträglich tonangebend im täglichen, auf Hochglanz poliertem Cocktail aus Desinformation, Dudelmusik und irreführender Werbung, aber im richtigen Leben eigentlich nie anzutreffen.“

Diesen Widerspruch nehmen auch Kucharzewskis Kolleginnen und Kollegen auf. Etwa die fünfköpfige, internationale Künstlerinnengruppe um Biggi Liebich, die das gerahmte Bild als Blick in die Welt sieht und mit der Gemeinschaftsarbeit „windows-1“, eine Installation aus 15 beweglichen Rahmen zeigt, die ganz unterschiedliche Blickrichtungen auf das Zeitgeschehen zulässt.

Tomas Tzen aus Fürth befasst sich mit den grundlegenden sozialen Aspekten des menschlichen Lebens und stellt die Einsamkeit, aber auch das Suchen und Finden, die Fragilität der Beziehungen und die Verletzlichkeit der Gefühle in den Mittelpunkt seiner Arbeiten. Ingrid Riedl geht in Altersheime, porträtiert dort die Bewohnerinnen und zeigt fünf Werke unter dem Titel: „Verlassen-verzaubert-vergessen-verloren-vertraut“ in Grafit und Öl auf Papier.

Die in Eggolsheim lebende Michaela Schwarzmann präsentiert „Schnittstellen“ aus Druck und Papier, durchscheinend auf Transparentpapier zusammengefügt: „Schneiden – Zusammenfügen — Menschen gehen und kommen“. Sehr interessant wirkt der Kurzfilm „Feuervogel“ von Janusz Radtke aus Nürnberg, der Feuer auf den Dachstuhl projiziert und die Wärme und das Angenehme miteinander verbindet, um zu fragen: „Haben wir auch die Kontrolle?“

Corinna Smok aus Fürth stellt den Revierkampf von Vögeln in den Mittelpunkt und legt dabei das Matthäus-Evangelium zugrunde – das echte Leben eine ständige Kampfzone? – so lautet bei ihr die Frage, auf die auch sie keine Antwort zu geben vermag. Tilman Oehler aus Oberrüsselbach hat ein Heimspiel: „99 til“ nennt er seine 99 Aquarellbilder die er in den letzten anderthalb Jahren von sich selbst gemalt hat. Dazu stellt er Glaskörper, Terrakottafiguren Hölzer auf Sockel und erläutert seine Installation selbst so: „Alles natürlich aus den Fingern gesogen, das Hirn war — gelinde gesagt — unbeteiligt“. Der Künstler ist trotz eines jahrelangen Parkinson-Leidens immer noch guter Dinge und weiß die Entwicklung und Entfaltung zu schätzen, die Form erst ab dem sechsten Monat annimmt, dann zur Vollendung drängt. „Unabänderlich — total — ohne Wenn und aber“.

Barbara Lidfors, eine in Fürth lebende und arbeitende US-Amerikanerin, zeigt Menschen auf der Straße in Nürnberg und macht sie zum Mittelpunkt. Sie erzählt Kurzgeschichten und greift den momentanen Blick auf, ein Kommen und Gehen, eine kurze Begegnung und ein Auseinandergehen ohne eigene Wahrnehmung. Die Anonymität in „Public Spaces“, das Wechselspiel von Menschen und den sie umgebenden Einflüssen weckt beim Betrachter den Nachhall eigener Empfindungen. Beeindruckend auch Peter Schmidt aus Asperg, der mit seiner Installation „Brot und Salz“ Neuankömmlinge willkommen heißt. Im Inneren zeigt die Installation einen Mikro-Kosmos von weiteren Miniatur-Installationen im Modellbahnmaßstab 1:87, wie Schubladen übereinander eingebaut. Eine davon zeigt ein Asylbewerber-Lager.

Latente Ausländerfeindlichkeit

Vorbild war die Pfarrerin eines kleinen Dorfes im Schwäbischen, die mit ihrer Gemeinde neu ankommende Flüchtlinge mit Brot und Salz empfing. Wirkliches Thema ist die Willkommenskultur in Deutschland und zugleich die latente Ausländerfeindlichkeit, wie er es selbst definiert. Ein anderes Bild zeigt eine gut sortierte Buchhandlung, in der eine Buchpyramide für Sarrazin-Bücher wirbt. Versöhnliches, menschlich-tierisches interpretiert Eva Mandok: Ein Mann und sein Hündchen.

Der KunstRaum Weißenohe ist wert ihn sich auch in diesem Jahr anzusehen, er macht betroffen aber gibt zugleich Hoffnung – das Problem erkannt – die Lösung in Sicht.

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