Kunstwerke aus Butter, Zucker und Mehl

8.2.2019, 18:54 Uhr
Kunstwerke aus Butter, Zucker und Mehl

© Fotos: Ralf Rödel

Wie riecht Heimat? Wer zum ersten Mal ins Zuhause von Carmen Henneberg kommt, für den riecht es nach zerlassener warmer Butter, Vanille und einer Prise Zimt. "Die Konditorei ist meine große Leidenschaft", sagt die 45-Jährige, die über viele Stationen in Heroldsbach ihr Zuhause mit Mann und Sohn gefunden hat, doch davon später mehr.

Dass sich ein Großteil von Hennebergs Leben mit Genuss beschäftigt, das riecht der Besucher nicht nur, das sieht er auch: An dem großen Esstisch im Wohnzimmer haben locker zehn Personen Platz und auch die offene Wohnküche ist nicht (nur) für einen Drei-Personen-Haushalt ausgerichtet.

Denn wenn sie feiert, dann ordentlich: ein Buffet für 40 Personen gibt es dann, das rundum in der Küche von jedem gut erreichbar ist. "Du hättest auch ein kleineres Schlafzimmer akzeptiert, wenn nur die Küche groß genug ist", habe ihr Mann gesagt, als es an den Grundriss für das neue Haus ging. Eingeplant wurde damals auch eine separate Backstube im Kellergeschoss mit Profi-Backofen. "Wenn ich Stress habe, dann backe ich. Wenn ich nicht schlafen kann, dann backe ich auch."

Und Carmen Henneberg scheint viel Stress zu haben und noch viel mehr schlaflose Nächte, will man der 45-Jährigen mit einem Augenzwinkern glauben, wenn sie von ihrem Leben erzählt. "Manche Menschen gehen mit einem Krimi ins Bett, ich lese Kochbücher", lacht Henneberg. Mittlerweile sind es so viele , dass in der Küche ein extra großes Regal für all die Koch-Schmöker gebaut werden musste.

Aufgewachsen mit vier Schwestern und zwei Brüdern ist Henneberg, die damals noch Cruzalegui hieß, in der peruanischen Hauptstadt Lima. Der Vater arbeitet für einen schwedischen Konzern, kurz vor ihrem neunten Geburtstag zieht die Großfamilie erst nach Missouri, dann weiter nach Kalifornien und von dort nach Houston in Texas.

Kunstwerke aus Butter, Zucker und Mehl

Und genau hier startet die Back-Karriere von Henneberg: Ihre Mutter eröffnet in Houston eine Bäckerei und die Tochter steigt mit ein, wohl nicht vorausahnend, was das mit ihrem Leben macht. "Ich konnte damals nicht mal die Mikrowelle bedienen", gesteht die temperamentvolle Lateinamerikanerin rückblickend. Aber dann kommt Hennebergs Maxime, die sie an dem Abend, an dem wir sie in Heroldsbach besuchen dürfen, nicht nur einmal betont: "Wenn andere das können, dann kann ich das auch.

"Ich habe französische Kochbücher gelesen, ausprobiert und dann haben wir die Türen unserer Bäckerei aufgesperrt", sagt Henneberg über die Anfänge ihrer Bäckerei in Houston. Sie wird kurze Zeit später Geschäftsführerin von "La Boulangerie Bakery and Cafe", ihrer eigenen Bäckerei und Konditorei mit drei Angestellten. Doch von ihrem ersten Gehalt kauft sie mitnichten Schmuck, Klamotten oder Handtaschen: Sie kauft eine Küchenmaschine, eine weiße KitchenAid, die noch heute ihren Dienst tut.

Henneberg bleibt ihrem Motto treu, "man kann alles lernen", sie macht ihren Abschluss an der Uni im Hotel- und Restaurant Management, arbeitet im Ritz-Carlton und ist als "Direktor of Catering Sales" mit 18 Mitarbeitern verantwortlich für Events, Tagungen und Hochzeiten mit bis zu 800 Personen. Dass dabei auch der damalige Präsident der Vereinigten Staaten George H.W. Bush und dessen Frau Barbara bei Henneberg speisen, erwähnt sie ganz nebenbei.

Hier in Houston macht sie auch das Catering für eine Veranstaltung eines großen deutschen Elektronik-Konzerns, als sie ihn plötzlich sieht, den großgewachsenen, blonden Hanseaten: "Ich habe mich sofort in ihn verliebt", sagt sie. Nur kurz muss sie zögern, "schließlich hatte ich mir eine Karriere im Hotellerie-Management aufgebaut und war da, wo ich sein wollte". Doch als ihr Mann ihr an Weihnachten vor der gesamten peruanischen Großfamilie einen Heiratsantrag macht, "da hat meine Familie für mich Ja gesagt". Und sie auch.

Wenig später ziehen die beiden nach Hamburg: Allerdings unter einer Bedingung: Dass die Küchenmaschine mit kommt. Für Henneberg, die fließend Spanisch und Englisch spricht, ist zunächst die deutsche Sprache ein Problem, das erste deutsche Kochbuch "Dr. Oetker German Cooking Today" bekommt sie von den Schwiegereltern und kocht Königsberger Klopse für ihren Mann. "Das waren meine Kochanfänge", lacht sie, "denn nur von Muffins wird mein Mann nicht satt".

"Wonder-Woman"

Henneberg lernt in Windeseile akzentfreies Deutsch, arbeitet im Außendienst, als Sprachcoach und bis heute als Projekt-Managerin in einem Baiersdorfer Unternehmen. Ihre Leidenschaft, das Backen, verlässt "Wonder-Woman", wie sie von ihrer Schwester liebevoll und mit gebührendem Respekt genannt wird, nie.

Wenn sie dann in ihrem Heroldsbacher Back-Keller eintaucht in Zucker, Mehl und Butter und wenig später ein "ruf die Nachbarn!" erschallt, dann weiß der Sohn, dass Mama wieder neue süße Kunstwerke kreiert hat, und zwar soviel, dass auch die Nachbarn und die Arbeitskollegen ("das sind meine Versuchskaninchen") satt werden. Doch nicht nur Muffins, sondern auch Cupcakes, Macarons und Torten entstehen in Hennebergs Backstube, die sie Gateausine nennt. Eine Wortschöpfung die sich aus dem französischen Gateau (für Torte und Kuchen) und Usine (für Fabrik oder Werk) zusammensetzt.

Jede Torte ein Unikat

Jede Kreation ist dabei auch gleichsam ein Unikat: "Ich hab noch nie eine Torte zweimal gemacht", sagt sie und zeigt ein kunterbuntes Buch mit Fotos ihrer Kreationen: Einen Gucci-Schuh aus Zucker hat sie modelliert, eine schnittige Porsche-Torte zum 18. Geburtstag oder eine Wellness-Torte mit einer badenden Schönheit aus Marzipan mit Gurkenscheiben aus grünem Zuckerguss im Gesicht.

Hier gibt sie Backkurse für Kinder und Erwachsene, hier backen Kommunionkinder gemeinsam mit ihren Paten ihre ganz eigenen Kommunion-Torten, hier entstehen zur Vorweihnachtszeit Lebkuchen-Häuser und im Frühling Hochzeitstorten und hier treffen sich Freundinnen um Cupcakes zu backen und in die Geheimnisse der perfekten Buttercreme eingeweiht zu werden.

Hier gibt sie ihre Tipps weiter: "Muffins sehen nie eine Küchenmaschine und werden als klassisches Frühstücksgebäck am besten warm gegessen!" Und: "Mandel verstärkt das Vanille Aroma, das ist wie Yin und Yang." Rund drei Stunden dauern die Kurse in der Gateausine, und wer den Heimweg antritt, der nimmt nicht nur eine Menge Backerfahrung und frisch Gebackenes mit, sondern auch den Geruch nach zerlassener Butter, Vanille und einer Prise Zimt.

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