Manfred Schwab: Handwerker des Schreibens

17.11.2017, 17:23 Uhr
Manfred Schwab: Handwerker des Schreibens

© Foto: Roland Huber

Das Coburger Edelfräulein war schuld. Während alle anderen Bewohner der Veste sich vor den ausgebrochenen wilden Bären in Sicherheit brachten, servierte das tapfere Burgfräulein den finsteren Waldbewohnern ein Silbertablett über und über gefüllt mit Weintrauben und rettete so die Burgbewohner. Manfred Schwab, damals als Grundschüler zum Schulausflug auf der Veste, war von dem bestickten Gobelin, das die Bären-Szenerie zeigte, so beeindruckt, dass er darüber einen Aufsatz schrieb.

Doch die Schulstunde reichte Schwab nicht, all das zu Papier zu bringen, was er auf dem Gobelin sah und in die Geschichte hineininterpretierte. Zu Schulschluss nur halb fertig mit dem Werk, schickte ihn die Lehrerin nach Hause. Nicht mit einer schlechten Zensur, sie wollte wissen, wie Schwab die Geschichte ausgehen ließ: "Du schreibst das zu Hause fertig."

Heute, mehr als 70 Jahre später, spricht Schwab von einer "Initialzündung", die damals stattgefunden habe. "Das Schreiben ist die einzige Konstante in meinem Leben", sagt der 80-Jährige. "Das Schreiben hab’ ich von meinem Vater", erzählt Schwab, "er hat gedichtet." Aus dem Krieg habe der Vater von der Front "gereimte Grüße" an den Sohn nach Hause, nach Coburg, geschickt. "Wir haben uns schriftlich gekannt", erzählt Schwab rückblickend.

Ligurien und Neusles

Schwabs Berufsweg war alles andere als geradlinig. Als Arbeiterkind geht er zunächst aufs Gymnasium, bricht dann aber die Schule ab und macht eine Lehre als Elektriker. Doch das Schreiben lässt ihn nicht los, von seinem Lehrlingsgehalt kauft er sich eine Kofferschreibmaschine, die er zwei Jahre lang Monat für Monat abstottert, schreibt für die Vereinszeitung Thüringer Wald ("Die haben wir auf einer Handpresse abgenudelt"), verfasst Wanderberichte für die Neue Presse Coburg.

Bei der Bundeswehr ist er federführend für die Truppenzeitung des dritten Korps, macht ein Volontariat bei der Neuen Presse Coburg, arbeitet als Zeitungsredakteur für die Nürnberger Zeitung, für eine Autozeitung in Baden-Baden und für die Kaufhallen-Zeitung in Köln. Schließlich macht er über den zweiten Bildungsweg die Hochschulreife, studiert Soziologie und Literaturwissenschaften, arbeitet als Sozialarbeiter und als Gewerkschafts-Angestellter.

Orte seines Schaffens und Schreibens sind Ligurien — wo er in seinem Häuschen Jahr für Jahr den Sommer verbringt — und Neusles. Hier lebt Schwab zusammen mit seiner Frau in einem der ältesten Häuser des Ortes. 1835 wurde das Haus erstmals urkundlich erwähnt. Kaum ein Zentimeter Platz ist in dem Fachwerkhäuschen, der nicht den Büchern Raum gibt. "Die Bücher wuchern bei uns", meint er scherzhaft. Werke von Bert Brecht und John Steinbeck stehen im Regal, Reclams Klaviermusikführer, die gesammelten Werke Erich Frieds und Boris Pasternaks "Doktor Schiwago".

Zwischen Wasserpfeife, zahllosen gesammelten Steinen und einer Mini-Espresso-Maschine grüßen in Schwabs Schreibstube auch ein ausgestopfter Dachs und ausgestopfte Wiesel von der Wand. Die Kofferschreibmaschine hat Schwab längst gegen einen PC und ein iPad getauscht.

In den vergangenen Jahren erweckte er den Gräfenberger Ritterdichter Wigalois zum Leben. Sein jüngstes Projekt, die Partitur einer Kinderoper, hat er gerade abgeschlossen: "Der Zaubergürtel des Wigalois. Eine Kinder-Märchenoper in vier Akten."

Die Kulturarbeit in und um Gräfenberg ist ohne Schwab kaum denkbar: "Der Gräfenberger Kulturverein liegt mir am Herzen", sagt er. Um die Gräfenberger für Lesen und Literatur zu begeistern organisiert er regelmäßig Lesungen im "Poeten-Eckela" am Gräfenberger Marktplatz. Dort lesen allmonatlich an einem Sonntagnachmittag Gräfenberger Bürger und Prominente aus ihren Lieblingsbüchern und plaudern mit dem Publikum.

Zur Zeit arbeitet er an einem Oratorium für Wolfgang Junga, schreibt regelmäßig Kolumnen für die Nürnberger ObdachlosenzeitungStraßenkreuzer.

Mit literarischen Beiträgen ist Schwab aktuell in dem Nürnberger Literaturmagazin Wortlaut Nr. 23 und in der Anthologie "Im Winter der Zeit" der Neuen Gesellschaft für Literatur Erlangen vertreten, die am Sonntag, 19. November, um 16 Uhr in der Erlanger Stadtbibliothek vorgestellt wird.

"Angenehme Nebensache"

"Das Schreiben ist eine angenehme Nebensache", sagt er, "eigentlich bin ich ein Handwerker geblieben". Einen Roman habe er schon lange geplant: "Eine ligurische Geschichte über Liebe im Alter." Und wenn er damit fertig ist: "Ein Gedichtband vielleicht noch."

Und dann braucht Schwab noch jede Menge Zeit zum Lesen. Juli Zehs "Unter Leuten" und Daniel Kehlmanns "Tyll" liegen auf seinem Nachttisch und noch viel mehr Bücher, die Schwab zu seinem 80. Geburtstag geschenkt bekommen hat. Doch wohin nur mit all dem Gedruckten? Das kann Schwab selbst nicht beantworten und lacht: "Das Haus hat einfach zu viele Fenster für weitere Bücher-Regale."

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