Märchen, aber nicht hausbacken

10.3.2012, 00:00 Uhr
Märchen, aber nicht hausbacken

© Isabel Krieger

Mit Autor Achim Amme hatte Büchereileiterin Gabi Bail zudem einen Meister des Erzählens eingeladen, der in seinem Programm „Rotkäppchen & Co“ nicht nur bekanntes Geschichtengut unterhaltsam gegen den Strich bürstete, sondern auch als Lyriker überzeugte.

Markantes Gesicht, sonore Stimme – Achim Amme gehört zu den Menschen, die die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, obwohl der aus dem hohen Norden stammende Autor, Schauspieler und Erzähler keineswegs eine große Statur hat.

Doch es ist der Blick aus wachen Augen, die die Konzentration schnell vorne ans Pult bannt, wo der 63-Jährige, der derzeit auch mit einem John Lennon- sowie einem Ringelnatz-Programm durch Deutschland reist, dicke Stapel an Büchern aufgetischt hat. Anders als viele Erzählkollegen trägt Amme seine Geschichten nicht frei vor, sondern liest sie. „Mir kommt es auf jedes Wort an“, sagt der Ringelnatz-Preisträger.

Ringelnatz spitzt an diesem Abend auch immer wieder hindurch, allein durch die Auswahl der Geschichten, die Achim Amme mitgebracht hat und die vom Schwank bis zum gesellschaftskritischen Gedicht reichen. Im Zentrum die Kinder- und Hausmärchen der Gebrüder Grimm, aus denen der Hamburger einige eher unbekannte Texte liest, bevor er sich, im schönsten Plattdeutsch, der Mär vom „Hasen und Igel“ widmet und hier sein volles Talent entfaltet: mit seiner wunderbar sonoren Stimme und der aus vielen Jahren Schauspielerei geschulten Präsenz schlüpft er in die Rollen von Hase und Igel und erweckt so das Duell zum Leben.

Der „faule Heinz“

Auch Janosch ist gefragt, der bekannte Kinderbuchautor hat einige der Grimmschen Märchen neu erzählt – in der ihm eigenen Sprache, deren Rhythmus und Modus Amme schnell findet. Und so klingt die Geschichte vom „Faulen Heinz“ so, als hätte Janosch sie erfunden.

Nach der Pause wird es dann richtig gut. Die Gedichte, die Amme aus seinen eigenen Bänden liest, stehen ganz in der Tradition von Ringelnatz, der neben dem derben auch den zierlichen Umgang mit Sprache beherrschte. Wortgewaltig zeichnet Amme in einem dieser Gedichte den Weg des „Schreis“ nach und beweist, dass er zu Recht für sein lyrisches Werk ausgezeichnet wurde.

Dann darf endlich Rotkäppchen ran, das sich an diesem Abend erwartungsgemäß nicht ganz korrekt verhält: Ob als Kifferin oder im Business-Look, als smartes Cover-Girl oder in der Version auf Amtsdeutsch – mit der passenden Gestik und Mimik und einer erstaunlich wandlungsfähigen Stimme, die Schwyzerdütsch genauso kann, wie Angloamerikanisch, holt Amme die Figur ins Hier und Jetzt und beweist: Märchen müssen nicht hausbacken sein. Nett.

 

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