"Meine Muskeln tobten noch die ganze Nacht"

3.7.2018, 10:33 Uhr

© Foto: Jannik Sambale

Der arbeitsfreie Montag bietet Zeit, die Erlebnisse sacken zu lassen. Wie nötig ist die Pause nach einer Nacht?

Marion Rossa-Schuster: Die Erholung brauchte ich unbedingt. Mein Schlaf war doch sehr unruhig, weil meine Muskeln noch tobten. Der lange Tag endete ja auch nicht mit der Zielankunft um 20 Uhr. Weitere 1,5 km ging es zu Fuß zum Rad-Abholen. Um 3 Uhr bin ich aufgestanden, um 23 Uhr war ich zu Hause.

Der Sieger Sebastian Kienle hat erklärt, er sei kaum in der Lage, Außenstehenden zu beschreiben, welche Gedanken und Emotionen ihn beim Zieleinlauf überkamen. Was ging in Ihnen vor?

Marion Rossa-Schuster: Du bist einerseits einfach nur platt und glücklich, die letzten Meter auf dem roten Teppich zu gehen. Andererseits hat dabei jeder seine persönlichen Empfindungen. Es ist unglaublich, wie viele Zuschauer einem um diese Zeit noch zujubeln. Natürlich habe ich eine meiner Töchter registriert, die mich begleitet hat und im Ziel dann auch etwas gestützt, als das Adrenalin meine Beine nicht mehr erreichte. Im nächsten Moment schossen mir Dinge in den Kopf, denen ich nach der intensiven Vorbereitung wieder mehr Aufmerksamkeit widmen möchte: Der Wiederauferstehung sozialer Kontakte, samstags ausschlafen und Gartenarbeit.

Sind es denn die Entbehrungen am Ende wert?

Marion Rossa-Schuster: Hier einmal zu starten war seit Jahren ein großer Lebens-Traum, den ich mir nun erfüllen konnte. Ich denke aber, dass es auch bei dieser einmaligen Angelegenheit bleiben wird. Noch am Abend des Rennens habe ich zu meiner Tochter gesagt, sie soll mich festbinden und mir die Kreditkarte abnehmen, wenn ich die Anmeldung für 2019 ins Auge fassen würde.

Wie verhielt es sich mit der Nervosität im Rennverlauf?

Marion Rossa-Schuster: Die habe ich mit dem Startschuss im Kanal gelassen. Um schmerzhafte Berührungen zu vermeiden, bin ich in der ersten Frauengruppe am Rand geschwommen. Das hat super funktioniert, unter 1:30 Stunden war ich schneller als gedacht. Die Vorfreude auf das Radfahren relativierte sich dann allerdings unterwegs, weil von allen Seiten Gegenwind kam. Umso beeindruckender fand ich den Moment, als ich von den führenden drei Männern und Begleit-Motorrad überrundet wurde. Auf der zweiten Runde hoffte ich, dass es bald endlich vorbeigeht.

. . . und das mit der Notiz im Hinterkopf, dass noch ein ganzer Marathon zu absolvieren ist.

Marion Rossa-Schuster: Langdistanz ist ein mentaler Kampf. Auf der Laufstrecke lag mein Fokus immer auf ganz kleinen Etappen bis zum nächsten Verpflegungsstand. Um Kilometer 19 km kamen mir mit Oberschenkel-Krämpfen kurze Zweifel auf. Salzkekse und Cola haben mich vor dem berüchtigten Mann mit dem Hammer gerettet. Erst bergab nach Kilometer 35 und dem Büchenbacher Weiher war ich mir sicher, ins Ziel zu kommen. Auf den finalen Kilometern befand ich mich komplett im Tunnel, habe die Atmosphäre in der Rother Altstadt nur am Rande wahrgenommen.

Bekommt man als Athlet da überhaupt mit, wer einen anfeuert?

Marion Rossa-Schuster: Generell ist das Publikum fantastisch, es trägt einen tatsächlich den Solarer Berg herauf. Noch mehr Kraft gaben mir freilich die bekannten Gesichter. Die Fangruppe vom Verein und Freundinnen haben mich unterstützt, auf der Laufstrecke kam ich dreimal bei der Familie vorbei. Zum Zurückwinken reichte es, zum Reden war ich nicht mehr fähig.

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